Leben im Käfig (German Edition)
vorher sagen? Und wenn nicht, kannst du immer noch herkommen.“
„Deine Eltern werden sich bedanken“, grollte Sascha aufgebracht. „Und meine erst recht. Die werden schön gucken, wenn ich an den Feiertagen zu fremden Leuten gehe. Dann bekommt meine Mutter erst recht einen Herzinfarkt und rastet aus.“
Missgelaunt ließ er die Fingerknöchel knacken und sah Andreas schief an. Sascha war von der spärlichen Begrüßung und den lieblosen Bemerkungen zu seinem Dilemma enttäuscht. Er hatte sich ein wenig mehr Sympathie und Mitgefühl erhofft. Es war gar nicht Andreas' Art, so desinteressiert über seine Nöte hinwegzugehen. Normalerweise hatte er immer ein offenes Ohr für ihn. Heute war sich Sascha nicht einmal sicher, ob sein Freund ihm richtig zugehört hatte.
„Und dann dieser ganze Zirkus. Schlachtplan für drei Tage Festessen. Bescherung in drei Teilen, damit Sina und Fabi nicht vor lauter Geschenken durchdrehen. Winterspaziergang mit der ganzen Familie. Gemeinsames Musizieren unter dem Weihnachtsbaum. Mitternachtsmesse, aber da bekommen mich keine zehn Pferde hin. Diese ganzen verlogenen Gespräche und die auch noch zur Hälfte auf Englisch. Jedes Jahr eine Grundsatzdiskussion, weil die Eltern von Aiden es nicht gut finden, dass ihre Enkel die ersten Geschenke schon am Heiligabend bekommen. Ich wünschte, ich hätte es schon hinter mir.“
„Geht bestimmt schneller vorbei, als du denkst.“
Sascha lag eine pampige Bemerkung auf der Zunge. Aber da er sich zu Beginn der Ferien nicht mit seinem Freund streiten wollte, fragte er lieber: „Was macht ihr denn so an den Feiertagen?“
Andreas ließ den Oberkörper zurücksinken. Sein Hemd rutschte hoch und entblößte ein Stück Bauch. Ein schöner Anblick, der die Wartezeit auf eine Antwort kürzer schienen ließ, als sie in Wirklichkeit war.
„Was man halt so macht. Das Übliche eben“, antwortete Andreas unbestimmt.
Als Sascha sich neben ihn legte, rührte er sich kaum.
Sascha schloss die Augen und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Die vertraute Umgebung und der regelmäßige Atem an seiner Seite halfen ihm dabei.
Vielleicht hatte Andreas recht. Was waren schon drei Tage?
Sascha wollte sich davon überzeugen, dass dieser kurze Zeitraum gut zu überstehen war. Aber das Wochenende vor einigen Monaten stand noch frisch und beißend wie Terpentin vor seinem inneren Auge und erinnerte ihn daran, wie erniedrigend und frustrierend sechzig Stunden Familienleben sein konnten.
Er wollte nicht darüber nachdenken.
Mit einem leisen Brummen drehte er sich auf die Seite und wandte sich Andreas zu.
Von diesem Augenblick hatte er geträumt, seitdem er am Morgen frierend in Richtung Schulbus gestapft war. In Andreas' Zimmer war es stets angenehm warm und meistens waren Schokolade, Kekse und heißer Kakao nicht weit. Wichtiger als die Leckereien, die Ivana ihnen bereitstellte, war jedoch das seidenglatte Gefühl der Zuneigung, das Sascha empfand, wenn sie zusammen waren. Es legte sich weich auf seine Wunden, milderte seine Launen und tröstete ihn über schlechte Tage hinweg. Andreas' Nähe war sein persönliches Refugium.
Auf der Suche nach Vergessen rückte Sascha nah an seinen Freund heran und küsste ihn sehnsüchtig auf den Hals. Seine linke Hand schob sich zielsicher zwischen Andreas' Beine und rieb sacht über seinen Unterleib.
„Lass uns den Scheiß vergessen und die Zeit besser nutzen, okay?“, murmelte er, bevor er sich halb über Andreas schob und dazu ansetzte, ihn leidenschaftlich zu küssen.
Sascha sehnte sich nach dem Gefühl der körperlichen Entspannung, nach Händen, die ihn streichelten und Lippen, die an seinem Oberkörper entlang wanderten und weiter unten sein Ziel fanden. Wie viel lieber hätte er die Feiertage mit Andreas unter der Decke verbracht, statt sich mit seinen Eltern herumzuschlagen.
Doch Saschas Kuss ging ins Leere, als sein Freund den Kopf beiseite drehte und ihm auswich. Eine Sekunde später wurde auch seine streichelnde Hand beiseitegeschoben. Überrascht und genervt richtete Sascha sich auf den Ellbogen auf. Ging heute denn alles schief?
„Was ist eigentlich mit dir los?“, fragte er barsch.
Heimlich dachte er daran, dass er mit Andreas noch über Silvester sprechen musste, aber dies schien kaum der richtige Zeitpunkt zu sein.
„Was meinst du?“
„Keine Ahnung, du begrüßt mich nicht richtig. Du bekommst den Mund nicht auf. Du willst nicht geküsst werden und schiebst meine Hand weg. Und du bist ...“ Sascha
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