Leben im Käfig (German Edition)
bugsierte Sascha die Freundin in Richtung ihres Kleinwagens. Er leckte sich über die von der Kälte aufgesprungenen Lippen, während er mit einem üblen Gefühl im Bauch an Andreas dachte.
Zu spät kam ihm der Gedanke, dass es besser gewesen wäre, zuerst mit ihm über den Silvesterabend zu reden, bevor er eine Zusage machte. Andererseits war Andreas wie gesagt stets der Erste, der Sascha drängte, keine Fete ausfallen zu lassen. Dennoch, Sascha fühlte sich nicht ganz wohl in seiner Haut, wusste nicht, wie er seinem Freund am besten eröffnete, dass sie nicht gemeinsam ins neue Jahr feiern konnten. Aber er wollte es wieder gut machen und sich während der Ferien endlos viel Zeit für Andreas nehmen.
* * *
„Der Baum ist schief. Wo bleibt Aiden, verdammt?“, jammerte es Sascha entgegen, nachdem er sich im Auto von Isabell verabschiedet und das Haus betreten hatte. Die Stimme seiner Tante lockte ihn ins Wohnzimmer, wo Tanja sich unter den Augen ihrer Sprösslinge mit dem Weihnachtsbaum abmühte.
Sascha lachte unterdrückt auf.
Das Wohnzimmer glich einem Schlachtfeld aus duftenden Tannenzweigen, Spielzeug und Christbaumschmuck. Eine halb aufgebaute Krippe – bisher ohne Jesuskind, aber dafür mit einem Playmobil-Eisbären auf dem Dach – blockierte den Weg in die Küche. Auf den Sofas stapelten sich Strohsterne, vergoldete Miniaturinstrumente und rotes Schleifenband um mehrere Kisten mit bunten Kugeln.
Eine Lichterkette krümmte sich wie eine verwirrte Schlange auf dem Fußboden, die kleinen Birnen so wild ineinander verschlungen, dass eine Rettung unwahrscheinlich schien. Die Fenster waren mit schiefen Ponys aus Kunstschnee verziert, die Sinas Handschrift trugen.
Beide Kinder sprangen ihrer Mutter um die Füße und gaben fachmännisch-altkluge Tipps zum Aufstellen des Weihnachtsbaums; vermengt mit Jubelarien, weil sie sich auf ihren Vater freuten, der bald nach Hause kommen musste.
„Ich bin daheim“, rief Sascha durch das Durcheinander und eilte an Tanjas Seite, da just in diesem Augenblick die gewaltige Nordmanntanne zu kippen drohte.
Sina kreischte und flüchtete quer über die Couch, während Fabian den Baum heldenhaft umarmte und versuchte, ihn abzufangen. Sein Gesicht verschwand prustend in dem Dickicht aus Nadeln.
Letztendlich war es aber Saschas Eingreifen zu verdanken, dass der Baum nicht zu Boden ging. Dafür verlor Tanja den Halt auf ihrer Trittleiter und fiel quietschend rückwärts. Zwar konnte sie sich abfangen, aber ihr linker Fuß landete in der Lichterkette. Es knirschte Unheil verkündend.
„Warum kann ich es nicht lassen? Warum meine ich, dass alles fertig sein muss, bis Aiden kommt?“, fluchte die Blondine wütend auf sich selbst. „Er hat gesagt, er holt den Baum. Aber nein, ich dachte ja, es wäre eine nette Idee, wenn schon alles fertig ist.“
„So schief steht er doch gar nicht“, versuchte Sascha zu trösten.
Es war gelogen. Die Tanne hielt sich nur durch guten Willen und Weihnachtsgeist aufrecht. Wenn er sich nicht ganz täuschte, war der Stamm nicht ausreichend beschlagen. Er fand keinen Halt in seinem Stativ.
Vorsichtig lehnte er die Tanne gegen die Wand, während Sina kichernd hinter dem Sofa hervorlugte wie ein Kobold hinter seinem Goldtopf.
Fabian murrte: „Ich hätte den Baum alleine festhalten können.“
Bevor Sascha etwas erwidern konnte, stieg ihm ein verbrannter Geruch in die Nase und wandte sich an seine Tante: „Hast du irgendetwas auf dem Herd?“
Tanja, die sich bemühte, ihre Hände vom Harz zu befreien, sah erschrocken auf. Sie schnüffelte angestrengt.
„Oh nein! Fabi, geh mal in die Küche und schau dir den Spinat an.“
„Und was soll ich da sehen?“, gab ihr Sohn mit angewiderter Miene zurück. Er mochte keinen Spinat; egal, ob verbrannt oder nicht.
„Ich mach das schon“, übertrumpfte Sina ihren Bruder frech. „Mann, bist du dumm. Wenn er schwarz ist, war er zu lange auf dem Herd.“
„Selber dumm!“
Sich zankend stürzten die Geschwister in die Küche. Ihr Geschrei war anstrengend, hatte allerdings auch etwas Gemütliches an sich. Tanja holte angestrengt Luft und sah zur Zimmerdecke, bevor sie sich an Sascha wandte.
Ihr Lächeln wirkte gequält: „Willkommen in den Ferien. Alles klar bei dir?“
„Sicher“, nickte Sascha. „Aber ich jongliere auch nicht mit Weihnachtsbäumen.“
Tanja lachte leise auf und warf einen Blick in Richtung Küche, bevor sie ihm erschöpft den Arm um die Schultern legte: „Ich
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