Leben im Käfig (German Edition)
falsch vor? Er kaute eine Weile auf dem Gedanken herum, ehe er darauf kam. Wie konnte jemand auf der einen Seite so krank sein, dass er seit Jahr und Tag das Haus nicht verließ und auf der anderen Seite sportliche Höchstleistungen vollbringen? Das war es, was ihn irritierte. Andreas' Sportoutfit hatte nicht sehr eng gesessen, aber das Muskelshirt hatte einiges von seinen Oberarmen und seiner Schulterpartie gezeigt. Was Sascha zu Gesicht bekommen hatte, war kein Bodybuilding-Gott, aber auch kein von Krankheit geschwächter Körper gewesen. Und hatte Andreas nicht gestern gesagt, dass er sich nicht ausruhen, nicht liegen musste? Was machte das alles für einen Sinn?
„Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen“, ertönte es auf einmal hinter ihm. Überrascht drehte Sascha sich mit dem Schreibtischstuhl um und sah Andreas entgegen, der mit einem Handtuch und seinen Haaren kämpfte. Er war wirklich schnell beim Duschen gewesen.
„Was meinst du?“, fragte er mit den Gedanken immer noch bei der mysteriösen Erkrankung seines Gegenüber.
„Du bist so blass, dass ich darüber nachdenke, einen Eimer für dich zu holen“, versuchte Andreas sich verständlicher auszudrücken. „Ist dir schlecht?“
„Glaubst du, dann komme ich hierher?“, zog Sascha eine Augenbraue hoch, zögerte, aber konnte sich nicht länger bezähmen. Die feine Diplomatie kam ihm abhanden, als er offen fragte: „Sag mal, was ist eigentlich mit dir los?“
Langsam senkte Andreas das Handtuch. Ein Ausdruck von Misstrauen bemächtigte sich seiner Züge: „Was meinst du?“
„Mann, ich weiß, dass du nicht darüber reden willst. Aber irgendwie ist das alles ein bisschen bizarr. Ich dachte gerade, du fällst mir an der Tür entgegen“, wollte Sascha seine Neugier zu erklären. „Was für eine komische Krankheit hast du, die dich nicht umbringt, nicht ansteckend ist, dich ans Haus bindet und dich trotzdem Konditionstraining machen lässt? Und zwar doppelt so lange, wie ich auf einem Laufband aushalten würde?“
„Du hast recht. Lass uns nicht davon reden. Sag mir lieber, warum du so blass um die Nase bist.“
„He, eine Hand wäscht die andere. Wenn du mir verrätst, was mit dir los ist, sage ich dir, was bei mir los ist.“
Es war kein besonders glücklicher Schachzug und unter anderen Umständen wäre er wohl auch schrecklich in die Hose gegangen. Sascha konnte aber nicht ahnen, dass sein finsterer Gesichtsausdruck und der Stress in seinem Blick Eindruck auf Andreas machten. So viel Eindruck, dass er sich darauf einließ, etwas von sich preiszugeben: „Okay, ich habe es dir schon mal gesagt. Ich kann nicht nach draußen gehen. Ich komme mit Menschenansammlungen nicht klar. Und mehr sage ich dazu nicht. Was ist mit dir?“
Das Gespräch erinnerte frappierend an einen Kamelhandel auf einem Basar: „Ich bin mit meiner Mutter aneinandergeraten, weil sie meine Schwester gestern nicht auf eine Party gehen lassen wollte. Katja hat versucht, aus dem Fenster zu steigen und ich bin daran schuld, weil ich der verzogene Sohn bin, der die brave Tochter verdirbt. Ist halt praktisch, einen Idioten zu haben, dem man an allem die Schuld geben kann. Und mehr sage ich auch nicht.“ Es tat gut, seinen Frust in Worte zu fassen.
„Das ist übel ...“, sagte Andreas betroffen. „Echt übel.“
Sein mitleidiger Blick traf Sascha. Als ob er es war, der Mitgefühl brauchte. Was hatte Andreas gesagt? Er hatte ein Problem draußen? Ja, das hatte er schon mal gesagt. Und mit anderen Leuten? Im Sinne von Nervosität? Oder Angst? Zu gerne hätte er weiter gefragt, aber er spürte, dass er keine weiteren Informationen bekommen würde. Auch nicht im Tausch gegen mehr Einblicke in sein eigenes Leben. Vielleicht war das auch ganz gut so.
„Was hältst du von Autorennen?“
„Was für Autorennen?“
Andreas deutete zu dem Sammelsurium aus Konsolen vor seinem Fernseher: „ Crash Car. Nicht nur Rennen fahren, sondern auch mit fiesen Tricks die Gegner von der Strecke werfen. Du weißt schon. Nägel auf dem Asphalt, Öllachen verteilen, Autos sabotieren, Techniker bestechen, Flammenwerfer. Alles, was das Herz begehrt.“
„Hört sich perfekt an“, nickte Sascha mit blitzenden Augen. Seine Laune an einer Gruppe unschuldiger Computergegner auszulassen, war in diesem Moment genau das richtige. Im Schneidersitz hockte er sich vor das Bettende und griff nach den Controllern: „Legen wir los.“
„Aye“, grinste Andreas. „Nur eins noch: Cola,
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