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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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die Stirn. Er sollte vielleicht ein paar Poster an die blütenweiße Decke hängen. Fotografien von heißen Kerlen, die morgens herausfordernd auf ihn herunter sahen. Nicht schlecht. Fest entschlossen, sich von dem eben erlebten abzulenken, langte er unter das Bett und holte eine Ausgabe von Queer hervor.
    Unten drohte derweil das Telefon von der Kommode zu springen. Wieder und wieder drang seine scheppernde Stimme schrill durch das Haus, nur um nach einer Weile vom Anrufbeantworter abgewürgt zu werden. Sascha ignorierte es, ließ die sicherlich wütende Anruferin ins Leere laufen. Nett? Nein. Unvermeidlich. Ja. Er war kein Sandsack.
    Um Konzentration bemüht, blätterte er in der Zeitschrift, versuchte sich auf die mehr oder weniger interessanten Themen rund um das homosexuelle Leben zu konzentrieren. Ein Reisebericht stach ihm ins Auge, konnte ihn jedoch nicht fesseln. Ob er wohl Katja auf ihrem Handy anrufen sollte? Nein, besser nicht. Vielleicht hatten sie es ihr abgenommen. Er würde sich per Mail bei ihr melden. Nicht heute, morgen. Er musste keinen zusätzlichen Zündstoff liefern.
    So, Thailand war also ein gutes Pflaster für schwule Reisende. Heiraten konnte man da seinen Liebsten auch. Überflüssiges Wissen. Wer dachte schon ans Heiraten? Außerdem ging das in Deutschland abgesehen von ein paar Ungerechtigkeiten auch. Familie war gerade mit Sicherheit Saschas geringstes Problem. Oder sein größtes.
    Die einzelnen Seiten der Zeitschrift öffneten sich wie Flügel, als sie an die Wand flog. Ihm war nicht danach zumute, faul auf dem Bett zu liegen. Er brauchte Ablenkung, ein bis fünf Bier und jemanden, mit dem er über Gott und die Welt reden konnte; nicht über seine momentane Situation wohlgemerkt. Konnte er sich auf sein Rad schwingen und die Treffpunkte im Dorf abklappern? Nein, konnte er nicht. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder er streifte ziellos durch Hamburg oder er besuchte Andreas. Und Letzteres ...
    Sascha verzog das Gesicht und sprang auf. Sein Weg führte ihn nach unten ins Wohnzimmer und von dort auf die von wilden Beeten umrandete Terrasse. Nachdenklich sah er hinüber zu der Villa, in der er am Vortag so viel Zeit verbracht hatte. Abgesehen von ein paar eigenartigen Momenten war der Besuch angenehm gewesen.
    Andreas war ein netter Kerl, wenn auch etwas verschlossen. Und auch, wenn er nichts Genaues gesagt hatte, wusste Sascha, dass Andreas die Schwierigkeiten mit seinen Eltern auf eine schwer zu beschreibende Weise verstand. Gebohrt oder neugierige Fragen gestellt hatte er nicht. Sie hatten es bei einem vielsagenden Blick und vereintem Schweigen belassen. Manchmal brauchte es keine Worte, um sich zu verstehen.
    In diesem Augenblick wollte alles in Sascha die ruhige Ablenkung von Andreas' Zimmer suchen. Er wollte nicht weiter zuhören, wie das Telefon klingelte, wollte nicht erleben, dass Tanja später den Anrufbeantworter abhörte. Sie würde Fragen stellen, Tipps geben, da sein. Und gerade diese ekelhaft objektive Fürsorge wollte Sascha in diesem Moment nicht.
    Aber konnte er schon wieder bei den von Winterfelds auftauchen? Er wusste noch sehr wenig von seinem neuen Kumpel. Überschritt er eine Grenze, wenn er schon wieder an dessen Tür kratzte? Strengten seine Besuche den anderen Jungen an? Ja, wahrscheinlich. Aber das hatte Andreas gestern nicht davon abgehalten, ihn bei sich behalten zu wollen. Sascha tippte mit der Zungenspitze gegen seine Schneidezähne, als er sich an den kleinen Zwischenfall vom Vortag erinnerte.
    Sie hatten bequem auf dem Bett gelümmelt und abgesehen von ein paar lustigen Bemerkungen schweigend den Film angesehen. Andreas hatte faul neben ihm gelegen und sich nicht vom Fleck gerührt. Es war gemütlich und für fast Fremde sogar vertraut.
    Kaum lief der Abspann, veränderte sich etwas zwischen ihnen. Andreas wurde spürbar nervös und Sascha begann sich zu fragen, ob er dessen Gastfreundschaft zu lange in Anspruch genommen hatte. Auf seine Fragen bekam er keine befriedigende Antwort, doch als er sich zurückziehen wollte, waren die braunen Augen des anderen fast schwarz geworden vor ... ja, vor was? Dringlichkeit? Verzweiflung? Wut? Entsetzen?
    Es hatte jedenfalls keinen Zweifel daran gegeben, dass Andreas wollte, dass er blieb. Ob ihm gestern genauso die Decke auf den Kopf fiel wie Sascha heute? Vielleicht. Vermutlich sogar. Wem würde das nicht so gehen, wenn er ans Haus gefesselt war und keine richtigen Freunde hatte?
    Bezogen auf den letzten Punkt

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