Leben im Käfig (German Edition)
Ende füttert ihr mich ganz umsonst.“
„Der Versuch allein zählt“, feixte Isabell. „Wir wissen schließlich, dass wir hoffnungslose Fälle sind.“
Waren sie nicht. Zumindest nicht wirklich.
Die Cafeteria lag auf der anderen Seite des Schulhofes und wirkte ein wenig schäbig. Mit einer richtigen Schulkantine war sie nicht zu vergleichen. Es gab lediglich ein paar Tische und eine Essensausgabe, wo man in erster Linie Getränke, aber auch sogenannte wertvolle Lebensmittel erstehen konnte. Müsliriegel, Obst, belegte Brötchen, Sandwiches aus Roggentoast. Süßigkeiten oder Eis waren weit und breit nicht zu sehen.
Die Luft war angesichts des Mangels an Fenstern ein wenig stickig und die Turnhalle schien nicht allzu weit entfernt zu sein, denn man hörte während der restlichen Pause die Duschen rauschen.
Die Freistunde verging wie im Flug. Sascha gab sich Mühe, seinen neuen Bekannten die Versäumnisse des Unterrichts nahe zu bringen. Dumm waren Isabell und Erbse nicht. Sie taten sich anscheinend in erster Linie mit dem Lehrer schwer.
Bevor er sich versah, saßen sie nicht mehr zu dritt, sondern zu fünft und schließlich zu acht um den viel zu kleinen Tisch. Es waren andere Leute aus ihrem Kurs, die sich Mühe gaben, die Dinge zu erklären, die auch Sascha nicht so formulieren konnte, dass seine Schützlinge sie begriffen.
Nach einiger Zeit fiel das Thema Mathematik hinten runter. Die Leute waren nett – wesentlich netter als das Pack vom Vortag. Das Gespräch sprang wie ein Pingpong-Ball zwischen den Jungen und Mädchen hin und her. Mal ging es um den neusten Tratsch, mal um die angesagtesten Clubs. Es wurde sich über Lehrer aufgeregt, von den vergangenen Sommerferien erzählt, Liebschaften spöttisch in der Luft zerrissen oder gutmütig über chaotische Ereignisse in der Fahrstunde gelacht.
Sascha hätte sich pudelwohl fühlen können, wenn ihn diese Zusammenkunft nicht so fatal an seine eigenen Freunde in Hessen erinnert hätte. Auch sie saßen jetzt beisammen, draußen auf den Bänken vor dem Fahrradständer. Auch sie teilten die Erlebnisse aus den Ferien miteinander, auch sie lästerten darüber, wer gerade mit wem ging oder eben nicht mehr.
Nur er war nicht mehr dabei.
So blieb eine Spur Bitterkeit zurück, die ihn ruhiger agieren ließ, als es normalerweise seine Art war. Dass er zu Beginn des nächsten Kurses merkte, dass er kaum einen Namen seiner neuen Mitschüler richtig zuordnen konnte, half nicht.
Stirnrunzelnd sah er auf seinen Zettel. Chemie. Einer der wenigen Kurse, die er nur belegen musste, um seine wöchentliche Stundenzahl zu erreichen. Übungsraum. Wo zum Geier war der Chemieübungsraum? An einem Chemiehörsaal war er vorhin vorbeigekommen. War das dasselbe?
Jemand tauchte an seiner Seite auf und spähte ihm über die Schulter: „Ich muss da auch hin. Komm mit. Das findest du alleine nie.“
Dankbar nickte Sascha und sah zu seinem Retter auf. Seinen Namen kannte er nicht, aber es war ein Typ, der ihm schon vorher aufgefallen war. Gut, es war schwer, den auffällig gekleideten Jungen nicht zu bemerken.
Violette Strähnen waren in seinem schmutzigblonden Haar verteilt und seine gesamte Erscheinung verkündete selbstbewusst, dass er in der linken Szene zu Hause war. Dazu brauchte es nicht die diversen anarchistischen Symbole, die er mit Edding auf seinen Bundeswehrrucksack gekritzelt hatte. Gegen seine karierten Hosen und schweren Boots waren Saschas mit Ringen geschmückte Hosen unauffällig wie ein weißes Bild an einer weißen Wand.
Eigentlich war er ziemlich süß, aber deutlich zu klein für Saschas Geschmack. Verdammt, warum hatte er nicht besser zugehört, als Isabell die Neuankömmlinge nach und nach vorgestellt hatte? Von den vielen neuen Gesichtern wurde ihm ganz wirr im Kopf zumute.
Sie waren auf halbem Wege durch das Labyrinth, als er sich endlich ein Herz nahm und den fremden Helfer von der Seite ansah: „Sorry, aber ich habe keine Scheißahnung, wie du heißt. Mir wurde vorhin ein Dutzend Namen an den Kopf geworfen und ich habe mir keinen einzigen gemerkt.“
„Haha, wundert mich kein bisschen. Isa redet wie ein Maschinengewehr“, griente der Punk breit. „Kannst mich Brain nennen.“
„Brian?“
„Nein, nicht doch. Brain, du weißt schon. So wie Pinky und Brain .“
Belustigt lachte Sascha auf: “Du bist nach einer Ratte benannt?“ Genau genommen hätte es ihn nicht gewundert, wenn Brain eine lebende Ratte aus der Jackentasche gezaubert hätte.
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