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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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„Vielleicht sollte ich lieber gehen und dich schlafen lassen.“
    Sofort warf Andreas sich seinerseits auf die Seite, hätte beinahe die Hand ausgestreckt, um nach Sascha zu greifen: „Nein!“
    Es klang weniger wie eine Bitte als viel mehr wie ein Befehl – oder ein besonders dringlicher Wunsch.
    „Okay ...“, erwiderte Sascha langsam und sichtlich irritiert. Andreas sah, wie er unsicher zur Tür schaute. Er wollte gehen. Kein Wunder, nachdem er ihn so angefahren hatte. Immer musste er alles kaputtmachen. Wenn Sascha jetzt ging, er würde ihn für einen Freak halten. Das tat er vermutlich eh schon. Sie würden sich vielleicht nicht wiedersehen. Zum ersten Mal an diesem Tag streifte Andreas ein Anflug von Panik, wenn auch von einer neuen, erschreckenden Art. Instinktiv wusste er, dass bereits jetzt eine Lücke entstehen würde, falls Sascha ging und nicht wiederkam.
    „Es liegt nicht an dir“, plapperte er schließlich in seiner Not los. „Ich kann es dir nicht erklären, aber ich ... ich bin es nicht gewohnt, Leute um mich zu haben ... es ist ... ich bin schon so lange ... hier und ... Ich ... Wenn man… Das klingt bescheuert, aber man ist das irgendwann nicht mehr gewohnt ... Fremde ... und dann werde ich nervös, aber das hört auf ... denke ich.“
    „Fremde Leute machen dich nervös?“, wiederholte Sascha aus der Fassung gebracht. Andreas konnte erkennen, dass es hinter seiner Stirn arbeitete. Der Tumult in seinem Inneren war nicht in Worte zu fassen. Er verfluchte sich, dass er nicht den Mund gehalten hatte, und klopfte sich gleichzeitig innerlich auf die Schulter. Etwas in ihm glaubte, dass es für ihn leichter sein würde, mit Sascha Zeit zu verbringen, wenn der wusste, dass er manchmal nervös wurde. Er musste es dann nicht mehr krampfhaft verbergen, nicht mehr so tun, als wäre alles bestens.
    „Das ist kompliziert, aber ... ich ... kann dir es dir nicht erklären ... es ist einfach so gekommen ... Weil ich doch nicht aus dem Haus gehen kann und ich habe nicht oft Besuch.“ Oh Gott, jetzt wurde es peinlich. Nun bettelte er schon. Fair war das nicht. Er nahm Sascha die Möglichkeit, sich guten Gewissens zurückzuziehen – und erniedrigte sich ganz nebenher selbst. Dass er eine weitere Information in Sachen Krankheit in den Raum gestreut hatte, war ihm in seinem emotionalen Stress nicht bewusst.
    „Tja, dann gibt es wohl nur zwei Möglichkeiten“, sagte Sascha schließlich mit einer Freundlichkeit, die nur seine Stimme und seinen Mund einbezog; nicht aber seine misstrauischen Augen. „Ich kann gehen oder dafür sorgen, dass ich kein Fremder bleibe. Das überlasse ich dir.“
    Am liebsten hätte Andreas Sascha gehen lassen. Das ganze Durcheinander war anstrengend für ihn. Normalerweise hätte er gut damit leben können, wenn Sascha sich zu diesem Zeitpunkt verabschiedet hätte. Aber nach dieser Situation, angesichts der Unsicherheit oder auch dem Misstrauen in Saschas Blick wäre es dumm, ihn wegzuschicken. Er würde nie wiederkommen. Allein bei dem Gedanken brannte in Andreas Kehle. Zeit, diese heftige Gefühlsregung zu hinterfragen, hatte er nicht.
    „ 300 haben wir durch. Was willst du als Nächstes sehen?“, beantwortete er die Frage und sandte ein Stoßgebet in den Himmel, dass Sascha ihm entgegen kam.
    Bevor er eine Antwort bekommen konnte, lockerte das Klingeln eines Handys die Situation auf.
    „Moment“, murmelte Sascha und griff in seine Hosentasche. Während er den Anruf entgegen nahm, rollte Andreas sich wieder auf den Bauch und bemühte sich, nicht zuzuhören. Es gelang ihm nicht. Wer immer am anderen Ende der Leitung war, war sehr aufgeregt. Sascha verdrehte die Augen und hielt das Telefon mit einer Grimasse ein wenig von seinem Ohr weg, bevor er sagte: „Katja ... Katja ... langsam. Und kreisch' nicht so. Ich bin doch nicht taub.“
    Konzentriert lauschte er, brummte ab und an und legte schließlich genervt die Hand an die Stirn. Andreas wagte einen Blick und fand es bezeichnend, wie sehr sich Saschas Gesicht innerhalb von ein paar Sekunden verändert hatte. Vorher war er gut gelaunt oder misstrauisch gewesen, jetzt wirkte er auf eigenartige Weise geschlagen. Überfordert. Jung.
    „Und was glaubst, was ich jetzt machen soll, kleine Schwester? Mama und Papa reden nicht einmal mit mir. Wie soll ich ihnen dann sagen, dass sie dich heute Abend ausgehen lassen sollen? ... Was? ... Ja, schon gut. Ich weiß ja, dass sie dich jetzt kaum aus den Augen lassen ... Nein, das geht

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