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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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diesen bekloppten Preisausschreiben mit?«

    »Ich weiß nicht genau«, antworte ich zögernd. Mom und ich sehen uns nicht mehr besonders viel. Tagsüber hat sie ihren Job in der Bücherei, und dann nimmt sie an drei Abenden in der Woche Malunterricht in der Akademie, an der meine Tante Judi – Moms Zwillingsschwester – unterrichtet. Meine Mutter ist auch ein Zwilling, aber im Gegensatz zu meinem Vater und Onkel Arthur haben sie und Tante Judi sich wirklich gern.
    Lizzy sagt: »Weißt du noch, wie deine Mom sich eine Apfelkuchen-Beschreibung in zehn Worten einfallen lassen musste, und sie hat auf ein Jahr für jeden Monat einen anderen Kuchen gewonnen?«
    Oh ja, ich erinnere mich mit Begeisterung an das JAHR DER KUCHEN. Kuchen sind nicht so gut wie Süßigkeiten, aber immer noch besser als alles andere, was Mom mir über die Jahre in Sachen Essen schmackhaft zu machen versucht hat. Den letzten Kuchen – Rüblitorte, das weiß ich noch – haben wir über Wochen gestreckt und immer nur häppchenweise gegessen.
    Dieses Paket sieht allerdings nicht aus, als wären Kuchen drin. Oder Staubsaugerbeutel oder Orangen aus Florida oder Tüten mit Wackelpudding oder irgendeines der anderen Dinge, die Mom im Lauf der Jahre gewonnen hat, indem sie Werbesprüche verfasste und irgendwelche Deckel oder Konservenetiketten sammelte. Ich untersuche das Paket. Dicke Pappe, mit einem einzelnen, transparenten Klebebandstreifen, der über die Mitte läuft.
    »Weißt du, was das heißt?«, fragt Lizzy und deutet auf das Klebeband.
    »Dass wir das Band ablösen können, ohne das Paket kaputt
zu machen, und danach drücken wir es wieder an, ohne dass meine Mutter etwas merkt?«
    »Jep!«
    »Kommt nicht in die Tüte«, sage ich und lasse mich auf den einen Küchenstuhl fallen, bei dem es Mom noch nicht gelungen ist, ein Kunstobjekt daraus zu machen. Die anderen sind entweder mit kratzigem Leopardenfellimitat bezogen oder es laufen Kronkorken die Beine rauf und runter und quer über die Lehne.
    »Wenn du Angst wegen dieser Sache mit dem Gesetzesverstoß hast«, sagt Lizzy, »das gilt nur, wenn es die Post von einem Fremden ist. Glaube ich.«
    »Wir warten, bis meine Mutter nach Hause kommt«, sage ich bestimmt. Ich rechne damit, dass Lizzy die Diskussion fortsetzt, aber stattdessen bleibt sie einfach neben dem Karton stehen und schaut eine Spur zu unschuldig drein.
    Mit ernster Stimme frage ich: »Lizzy, hast du irgendwas angestellt?«
    Holterdipolter platzt sie heraus: »Es ist nicht meine Schuld! Das Ende vom Band hat sich einfach gelöst!«
    Ich springe vom Stuhl auf und muss feststellen, dass sie auf ihrer Seite des Kartons ein paar Zentimeter des Klebebands abgezogen hat. Wobei ich zugeben muss, dass das wirklich sehr leicht ging, die Pappe ist nicht aufgerissen oder auch nur oberflächlich daran hängen geblieben. »Okay«, sage ich schnell. »Tun wir’s, bevor ich meine Meinung ändere.«
    Lizzy klatscht in die Hände, und wir machen uns an die Arbeit, indem wir den Klebestreifen sachte von beiden Seiten lösen. Schließlich treffen wir uns in der Mitte und ziehen das ganze Ding komplett ab. Lizzy drapiert es über einen Küchenstuhl.
Ich klappe die vier Laschen hoch und wir schauen in den Karton.
    Zunächst sehen wir nur einen Haufen zusammengeknüllte Zeitungsblätter. Einen kurzen Augenblick denke ich, es läge sonst nichts darin. Ich habe Angst, irgendetwas anzufassen, Lizzy dagegen quälen offenbar keine derartigen Skrupel, denn sie vergräbt sofort ihre Hände im Karton und holt mit beiden Händen Zeitungspapierkugeln heraus. Sie wirft sie auf den Tisch und will nach der nächsten Lage greifen, als ich sie stoppe.
    »Warte«, sage ich und schiebe die Kugeln zu einem ordentlichen Haufen zusammen. »Wir müssen das nachher genauso wieder einpacken, wie wir es vorgefunden haben.« Ich bin im Begriff, einen weiteren Papierbatzen auf den Haufen zu legen, als mir eine Schlagzeile ins Auge fällt. Ich streiche das zerknitterte Blatt auf dem Tisch glatt. Mein Herz klopft schneller, ich halte Lizzy das Blatt hin und sage: »Schau dir mal diesen Artikel an.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Du weißt, dass ich nichts davon halte, Zeitung zu lesen. Zu deprimierend. Warum soll ich gerade jetzt damit anfangen?«
    »Lies einfach«, beharre ich. »Es ist aus dem Wissenschaftsteil.«
    Sie rollt mit den Augen und reißt mir das Blatt aus der Hand. »›Wissenschaftler halten schwarze Löcher für möglichen Schlüssel zu Zeitreisen.‹ – Na

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