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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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halten.
    Was die Schilderung dieses Gefechts noch verwickelter für meinen Onkel Toby machte, war der Umstand – daß bei dem Angriff auf die Contrescarpe vor dem St. Nicolausthor, die sich von den Ufern der Maas bis zu dem großen Damme herauf erstreckte, – der Grund und Boden von so zahlreichen Dämmen, Kanälen, Rinnen und Schleußen nach allen Richtungen hin durchschnitten und durchkreuzt war, – und er selbst so schrecklich dadurch irre geführt wurde und dazwischen fest saß, daß er häufig nicht mehr vor- noch rückwärts konnte um sein Leben zu retten; und sich deshalb manchmal genöthigt sah, nur aus diesem Grunde den Angriff aufzugeben.
    Diese beschämenden Niederlagen brachten meinem Onkel Toby Shandy größere Gemüthsunruhe als man sich vorstellen kann; und da mein Vater in seiner Liebenswürdigkeit immer wieder neue Freunde und neue Frager zu ihm heraufbrachte, – so machte er ihm damit eine höchst peinliche Arbeit.
    Mein Onkel Toby besaß allerdings eine große Selbstbeherrschung und konnte, glaube ich, den Schein so gut wahren, wie die meisten Menschen; aber Jedermann kann sich vorstellen, daß wenn er sich nicht aus dem Ravelin zurückziehen konnte, ohne in den Halbmond zu stürzen, oder den bedeckten Weg verlassen ohne die Contrescarpe herabzufallen, noch den Damm überschreiten, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, in den Graben zu rutschen, es innerlich nothwendig in ihm kochen und dampfen mußte; – und das that es auch – und wenn diese kleinen und stündlichen Aufregungen einem Manne, der den Hippokrates nicht gelesen hat, geringfügig und unbedeutend erscheinen mögen, so wird doch der, welcher den Hippokrates oder den
Dr.
 James Mackenzie gelesen und die Wirkungen in Betracht gezogen hat, welche Leidenschaften und Gemütsbewegungen auf die Verdauung ausüben – (und warum nicht diejenigen einer Wunde ebensogut wie die eines Mittagessens?) – leicht begreifen, welche heftige Paroxysmen und Verschlimmerungen meinem Onkel Toby nur aus dieser Ursache für seine Wunden erwuchsen.
    Mein Onkel Toby vermochte hierüber nicht zu philosophiren; – für ihn war es genug. daß er fühlte es sei so – und nachdem er Monate lang hierüber Pein und Aerger gehabt hatte, war er fest entschlossen sich auf eine oder die andere Art aus der Affaire zu ziehen. Er lag eines Morgens auf dem Rücken im Bett, denn der Schmerz und die Natur seiner Wunde am Schambein gestattete ihm nicht eine andere Lage anzunehmen, als ihm der Gedanke durch den Kopf fuhr; wenn er sich so was wie einen großen Plan von den Befestigungen der Stadt und Citadelle Namur, nebst Umgegend verschaffen könnte und ihn dann auf einen Tisch klebte, so möchte er dadurch große Erleichterung bekommen. – Ich bemerke absichtlich, daß er neben der Stadt und Citadelle auch noch die Umgegend haben wollte – denn mein Onkel Toby hatte seine Wunde in einer der Traversen erhalten, etwa 30 Toisen vom einspringenden Winkel der Transchee entfernt, gegenüber von dem ausspringenden Winkel der Halbbastion St. Roche; so daß er sich getraute dann mit einer Stecknadel den Fleck zu bezeichnen, wo er gestanden hatte, als ihn der Stein traf.
    Das Alles gelang ihm nach Wunsch und befreite ihn nicht nur von einer Menge unangenehmer Erörterungen, sondern es gestaltete sich auch zu dem glücklichen Mittel, wodurch, wie Sie nun lesen werden, mein Onkel Toby zu seinem Steckenpferde kam.

27. Kapitel.
    Es gibt nichts Thörichteres, als wenn der, der eine Bewirthung dieser Art gibt, die Sachen so schlecht macht, daß die Kritiker und die Leute von feinem Geschmack sie herabsetzen müssen; auch werden sie durch nichts mehr hiezu veranlaßt, als wenn man sie nicht dazu einladet, oder was ebenso beleidigend ist, wenn man den übrigen Gästen eine so besondere Aufmerksamkeit widmet, als wenn gar keine Kritiker (von Profession) mit bei Tische säßen.
    Ich hüte mich vor Beidem; denn erstens habe ich ein Halb Dutzend Plätze eigens für sie offen gelassen; – und dann mache ich ihnen Allen den Hof. – Meine Herren, ich küsse Ihnen die Hände; ich versichere Sie, daß mir keine Gesellschaft halb so angenehm sein könnte wie die Ihrige; – auf Seligkeit, ich bin erfreut Sie zu sehen – ich bitte nur, betrachten Sie sich nicht als Fremde, nehmen Sie Platz ohne Umstände, und greifen Sie herzhaft zu.
    Ich sagte bereits, daß ich sechs Plätze freigelassen habe; ich war auf dem Punkt die Artigkeit soweit zu treiben, ihnen sogar einen siebenten zu überlassen

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