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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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ihre Purzelbäume und sonstige Possen mit angesehen, auch ihr feierlicheres Benehmen unmittelbar nach solchen Sprüngen wohl gemerkt – und dann Feder und Tinte genommen und eben nur niedergeschrieben, was man gesehen und was man beschwören konnte. – Allein diesen Vortheil besitzt ein Biograph auf unserem Planeten leider nicht; – auf dem Merkur mag er es vielleicht so finden; wo nicht noch besser – denn dort muß die intensive Hitze des Landes, die auf Grund seiner Sonnennähe als derjenigen des Rothglüheisens gleich berechnet worden ist – meiner Ansicht nach längst die Körper der Bewohner (als wirkende Ursache) zu Glas verwandelt haben, um sie dem Klima (das die Endursache ist) anzupassen, so daß zwischen ihnen beiden das ganze Anwesen ihrer Seelen von Oben bis Unten, was auch die trefflichste Philosophie dagegen sagen mag, nichts Anderes sein kann als ein feiner durchsichtiger Körper von hellem Glas (die Nabelgegend abgerechnet) – so daß bis zu dem Zeitpunkt, wo die Bewohner alt und einigermaßen runzlich werden, in Folge dessen dann die Sonnenstrahlen bei ihrem Hindurchgehen sich so merkwürdig brechen – oder in solchen Kreuz- und Querlinien von der Oberfläche nach dem Auge zurückstrahlen, daß man nicht mehr hindurch sehen kann – die Seele (es sei denn Anstands halber oder wegen des geringen Vortheils, den ihr der Nabel gewährte,) – in jeder anderen Beziehung den Narren gerade so gut außer dem Hause als drinnen spielen könnte.
    Allein dies ist, wie ich schon oben bemerkte, bei den Erdenbewohnern nicht der Fall; – unsere Seelen scheinen nicht durch den Körper hindurch, – sondern sind in eine dunkle Hülle von unkrystallisirtem Fleisch und Blut gepackt, so daß, wenn wir den specifischen Charakter derselben kennen lernen wollen, wir schon einen anderen Weg dazu einschlagen müssen.
    Mancherlei sind allerdings die Wege, welche der menschliche Scharfsinn gehen mußte, um ein genaues Resultat in dieser Beziehung zu erhalten.
    Einige zum Beispiel bestimmen alle ihre Charaktere nach Blasinstrumenten – diesen Weg schlägt Virgil in der Geschichte mit Dido und Aeneas ein – aber dieser Weg ist so trügerisch wie das Blasen der Fama; – und deutet überdies auf einen beschränkten Geist. Es ist mir nicht unbekannt, daß die Italiener behaupten, sie bestimmen eine besondere Art von Charakteren unter ihnen mit mathematischer Sicherheit nach dem Forte oder Piano gewisser bei ihnen im Gebrauch befindlicher Blasinstrumente – und sie sagen, das sei ganz untrüglich. – Ich wage es nicht, dieses Blasinstrument hier mit Namen zu nennen; – es genüge, wenn ich sage, wir haben es auch – doch fällt es uns nicht ein, damit ein Tongemälde, eine Charakterzeichnung zu machen; – ich spreche hier in Räthseln, und zwar absichtlich, wenigstens
ad populum
; – und deshalb bitte ich Sie auch, Madame, wenn Sie an diese Stelle kommen, so schnell als möglich weiter zu lesen und ja keine Frage darüber zu stellen.
    Dann gibt es wieder Andere, welche den Charakter eines Menschen lediglich nach dessen Ausleerungen bestimmen wollen; – dabei erhält man aber oft sehr ungenaue Umrisse – wenn man nicht zugleich auch eine Skizze seiner Wiederauffüllungen entwirft; und indem man die eine Zeichnung durch die andere corrigirt, so aus beiden die richtige Figur zu gewinnen sucht.
    Ich habe gegen diese Methode nichts einzuwenden, nur glaube ich, daß sie zu stark nach der Studirlampe riecht – und dadurch noch lästiger wird, daß sie uns zwingt, durch die übrige
Nonnaturalia
des Menschen ins Auge zu fassen. – Warum man die allernatürlichsten Thätigkeiten im Menschenleben seine
Nonnaturalia
heißt – ist wieder eine andere Frage.
    Dann gibt es viertens noch Andere, welche alle diese Auskunftsmittel verachten – nicht etwa weil sie besonders reich an eigenen sind, sondern weil sie den ehrenwerthen Erfindungen, welche die pentagraphischen Brüder vom Pinsel zu Anfertigung von Copien aufgebracht haben, verschiedene Mittel und Wege entlehnten. – Das, müssen Sie wissen, sind unsere großen Geschichtsschreiber.
    So sehen Sie, wie der Eine einen Charakter in Lebensgröße gegen das Licht aufnimmt – das ist nicht liberal – nicht ehrlich – und sehr hart für den Charakter des Mannes, der dazu sitzt.
    Andere machen, um die Sache noch besser zu machen, ein Bild von Ihnen in der
Camera obscura
; – das ist die aller hinterlistigste Methode, denn bei diesem Verfahren dürfen sie versichert sein,

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