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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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– und zwar gerade den Fleck, wo ich selbst stehe; da mir aber ein Kritiker (nicht von Profession, sondern von Natur) sagte, ich habe meine Pflicht gut genug erfüllt, so will ich diesen sofort besetzen, und hoffe zugleich im nächsten Jahre in der Lage zu sein, noch weit mehr Raum bieten zu können. – Wie zum Henker! konnte Ihr Onkel Toby, der wie es scheint, doch Militär war und den Sie als keinen Dummkopf schilderten – zugleich ein so verworrener, dickköpfiger Dunkelmann sein, um – Sehen Sie selbst.
    Dies, Herr Kritiker, hätte ich erwidern können; aber ich verschmähe dieses Auskunftsmittel. – Es wäre das unhöflich gesprochen – und würde sich nur für einen Mann passen, der keine klare, ausreichende Rechenschaft von den Dingen ablegen, noch tief genug in die ersten Ursachen menschlicher Unwissenheit und Verworrenheit hinabtauchen kann. Es wäre das überdies die Antwort eines Tapfern gewesen – und deshalb verwerfe ich sie; denn wenn sie auch dem Charakter meines Onkels Toby als Soldat trefflich entsprochen hätte und er sie, hätte er sich nicht daran gewöhnt gehabt bei solchen Angriffen den
Lillabullero
zu pfeifen, ganz sicher gegeben hätte, da es ihm nicht an Muth fehlte; – so würde sie doch für mich keineswegs ausgereicht haben. Sie sehen sehr deutlich, daß ich als ein Mann von gelehrter Bildung schreibe; – daß selbst meine Gleichnisse, meine Anspielungen, meine Illustrationen und Metaphern gelehrter Natur sind, – und daß ich diesen Charakter aufrecht erhalten und in passender Weise hervorheben muß, – was würde sonst aus mir werden? – Ich wäre rein fertig, geliefert; in dem Augenblick, wo ich hier im Begriff gewesen wäre einen Platz zu besetzen, den eigentlich ein Kritiker in Anspruch nehmen konnte, – würde ich Raum für ein Paar gemacht haben.
    Ich antworte daher folgendermaßen:
    Sagen Sie mir, mein Herr, haben Sie bei Ihrer großen Belesenheit je einmal ein Buch in die Hand bekommen, das Locke's Abhandlung über den menschlichen Verstand hieß? – Antworten Sie mir nicht zu schnell, – denn ich weiß, daß Viele das Buch citiren, die es nie gelesen haben – und daß Manche es gelesen, aber nicht verstanden haben. – Wenn das Eine oder das Andere bei Ihnen der Fall sein sollte, so will ich Ihnen, da ich ja der Belehrung halber schreibe, in drei Worten sagen, was das Buch enthält. – Es enthält eine Geschichte. – Eine Geschichte? von Wem? worüber? Wo? und wann? – Nicht so hastig! – Ja es ist ein Geschichtbuch, mein Herr (das mag es der Welt möglicherweise empfehlen), und erzählt, was im Innern des Menschen vorgeht; und wenn Sie dies von dem Buche sagen, und nicht mehr, so werden Sie, glauben Sie mir, keine verächtliche Rolle in einem metaphysischen Cirkel spielen.
    Doch dies nur beiläufig.
    Wenn Sie es nun wagen wollen, weiter mit mir zu gehen und der Sache auf den Grund zu schauen, so werden wir finden, daß es dreierlei Ursachen für die Dunkelheit und Verwirrung im Innern eines Menschen gibt.
    In erster Linie, mein Herr, stumpfe Organe, zweitens leichte, vorübergehende Eindrücke von Seiten des betreffenden Gegenstandes, wenn die Organe nicht stumpf sind; und drittens, ein Gedächtniß wie ein Sieb, das nicht im Stande ist das zu behalten, was es in sich aufgenommen hat. – Rufen Sie einmal Ihr Kammermädchen Dolly herab und ich will Ihnen meine Kappe und die Schellen dazu schenken, wenn ich diese Sache nicht so klar auseinandersetze, daß selbst Dolly sie so gut versteht wie Malebranche. – Wenn Dolly ihren Brief an Robin niedergeschrieben hat und dann mit ihrem Arm in die an ihrer rechten Seite hängende Tasche fährt – so nehmen Sie die Gelegenheit wahr, zu bemerken, daß die Organe und Fähigkeiten der Auffassung durch nichts auf der Welt so treffend dargestellt und erläutert werden können als durch das, was Dolly's Hand jetzt sucht. – Ihr Organ ist gewiß nicht so stumpf, daß ich Ihnen erst sagen müßte – es sei ein Endchen rothes Siegellack.
    Wenn dieses dann geschmolzen und auf den Brief gefallen ist, und Dolly so lange nach ihrem Fingerhut herumtastet, bis das Wachs bereits zu hart geworden ist, so wird es bei dem gewöhnlichen Druck, den sie zu geben pflegt, das Zeichen ihres Fingerhutes nicht mehr annehmen. Gut! Ist aber Dolly's Lack in Ermangelung eines bessern, gewöhnliches Nähwachs oder sonst zu weicher Natur – so wird es den Eindruck zwar in sich aufnehmen, aber ihn nicht behalten, so fest auch Dolly darauf drücken

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