Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
daß man Sie in einer Ihrer lächerlichsten Stellungen aufnimmt.
Um all diese Irrthümer bei Schilderung des Charakters meines Onkels Toby zu vermeiden, bin ich entschlossen, bei Zeichnung desselben zu gar keinen mechanischen Hilfsmitteln zu greifen; – auch soll mein Griffel nicht durch irgend ein Windinstrument beeinflußt werden, das schon auf dieser oder jener Seite der Alpen geblasen worden ist; – ebensowenig werde ich seine Auffüllungen oder Entleerungen in Betracht ziehen – oder seine
Nonnaturalia
berühren; mit einem Wort, ich werde den Charakter meines Onkel Toby auf Grund seines Steckenpferdes entwerfen.
24. Kapitel.
Wenn ich nicht moralisch überzeugt wäre, daß der Leser vor Ungeduld brennt, den Charakter meines Onkels Toby kennen zu lernen – so würde ich ihn hier zum Voraus überzeugt haben, daß kein Instrument so geeignet ist, um so Etwas zu zeichnen als gerade das, auf welches ich verfallen bin.
Ich kann zwar nicht behaupten, daß ein Mann und sein Steckenpferd gerade so aneinander wirken wie Leib und Seele; aber es besteht zweifellos eine gewisse Verbindung zwischen ihnen; und zwar meiner Ansicht nach in der Art wie die Elektricität auf die Körper wirkt – und zwar mittelst derjenigen erwärmten Theile des Reiters, welche in unmittelbare Berührung mit dem Rücken des Steckenpferdes kommen. – Bei langen Ritten und großer Friction wird der Körper des Reiters auf diese Art endlich so voll von Steckenpferdstoff werden, als er überhaupt in sich aufnehmen kann; – so daß wenn man in der Lage ist, eine klare Beschreibung von der Natur des Einen zu geben, man sich eine ziemlich genaue Vorstellung von dem Genius und Charakter des Andern wird machen können.
Nun war das Steckenpferd, welches mein Onkel Toby beständig ritt, nach meiner Ansicht ein solches, daß es wol eine Schilderung verdiente, wäre es auch nur wegen seiner großen Sonderbarkeit – denn Sie konnten von York nach Dover – und von Dover nach Penzance in Cornwall, und von Penzance wieder zurück noch York reisen, ohne auf dem Wege einem ähnlichen zu begegnen; oder wenn Sie je auf ein solches trafen, hätten Sie, und wenn es Ihnen auch noch so pressirte, unfehlbar Halt machen und es sich betrachten müssen. Ja die Gangart und Figur desselben war so eigenthümlich und so ganz anders vom Kopf bis zum Schwanz als alle anderen seiner Rasse, daß man wirklich nicht selten darüber stritt, ob es denn eigentlich ein Steckenpferd sei oder nicht. Wie aber der Philosoph sich gegen den Skeptiker, der ihm die Wirklichkeit der Bewegung bestritt, keines andern Beweisgrundes bediente, als daß er die Beine erhob und durch das Zimmer ging; – so pflegte sich mein Onkel Toby keines anderen Beweises zu bedienen, um darzuthun, daß sein Steckenpferd wirklich ein Steckenpferd sei, als daß er sich auf seinen Rücken schwang und darauf herum ritt, – die Welt mochte sich dann über die Sache lustig machen, wie es ihr beliebte.
Mein Onkel Toby ritt es wirklich mit soviel Vergnügen, und es trug meinen Onkel Toby so schön – daß er sich sehr wenig darüber beunruhigte, was die Welt dazu sagen oder davon denken werde.
Es ist jedoch jetzt höchste Zeit, daß ich eine Beschreibung von ihm gebe: – um jedoch regelrecht vorzugehen, bitte ich nur Sie vorher darüber verständigen zu dürfen, wie mein Onkel Toby dazu kam.
25. Kapitel.
Da die Wunde, welche mein Onkel Toby bei der Belagerung von Namur am Schambein erhalten hatte, ihn zu fernerem Dienst untauglich machte, hielt man es für angezeigt, daß er nach England zurückkehre, um dort womöglich wieder hergestellt zu werden.
Er war vier Jahre lang zum Theil ans Bette, jedenfalls aber an das Zimmer gefesselt; und litt im Laufe seiner Cur, welche diese ganze Zeit über währte, unaussprechliche Trübsal, indem eine Reihe von Abblätterungen vom
os pubis
und der äußeren Kante desjenigen Theils vom
coxendix
, der das
os ilium
heißt, Statt fanden. Diese beiden Knochen waren nämlich ganz schrecklich zerquetscht worden, sowol durch die unregelmäßige Gestalt des Steins, der wie ich Ihnen erzählte vom Wall abgerissen worden war, – als durch die Größe desselben, welche so bedeutend war, daß der Wundarzt auf den Gedanken kam, die große Verletzung, die mein Onkel Toby am Schambein davon getragen, sei mehr der Schwere des Steins selbst als der Triebkraft, die derselbe empfangen, zuzuschreiben – was wie er oft zu sagen pflegte, noch ein wahres Glück sei.
Mein Vater hatte um
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