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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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sie nach seinem Dafürhalten am wenigsten angelegt war, nämlich dem Kinder tragenden und Kinder zeugenden Theil seines Sprengels; so daß nichts übrig blieb für die Kranken, die Altersschwachen und die vielen trostlosen Scenen, zu denen er stündlich gerufen wurde, wo Armuth, Siechthum und Herzeleid beisammen wohnten.
    Aus diesen Gründen beschloß er, diese Ausgabe fallen zu lassen. Es gab jedoch nur zwei Wege, um ihn ganz aus der Sache zu ziehen; entweder mußte er es sich zum unwiderruflichen Gesetz machen, sein Pferd nie wieder zu verleihen, die Bitte mochte noch so dringend sein, oder er mußte sich dahin bescheiden, die letzte arme Mähre so fortzureiten, wie sie sie ihm zugerichtet hatten mit all ihren Fehlern und Schwächen bis ans Ende vom Liede.
    Da er seiner Standhaftigkeit im ersten Falle nicht traute, hielt er sich in aller Heiterkeit an den letzteren; und obwol er die Sache wie gesagt, recht gut zu seiner Ehre auslegen konnte, so wollte er es gerade deshalb nicht, und zog es lieber vor die Verachtung seiner Feinde und das Gelächter seiner Freunde zu ertragen, als daß er eine Geschichte erzähle, die wie ein Loblied auf ihn lauten konnte.
    Dieser einzige Zug im Charakter des ehrwürdigen Herrn gibt mir die höchste Idee von seinen edeln und zarten Empfindungen; er kommt meiner Ansicht nach einer jeden jener ehrenwerthen Feinheiten des unvergleichlichen Ritters aus der Mancha gleich, den ich beiläufig gesagt, trotz aller seiner Narrheiten mehr liebe als den größten Helden des Alterthums und dem ich weiter nachgegangen wäre, um ihm einen Besuch zu machen, als diesen.
    Doch dies ist nicht die Moral meiner Geschichte: was ich beabsichtigte war, die Stimmung der Welt in dieser ganzen Sache auseinander zu setzen. Denn Sie müssen wissen, daß so sehr auch diese Erläuterung dem Pfarrer Ehre gemacht hätte, keine Menschenseele darauf kam; ich glaube, daß seine Feinde nicht wollten, seine Freunde aber nicht konnten. Sobald er sich aber der Hebamme annahm und die Sporteln für sie bezahlte, kam das ganze Geheimniß heraus; jedes Pferd, das er verloren hatte, ja 2 Pferde mehr als er wirklich verloren hatte, nebst allen Umständen, wie sie zu Grunde gerichtet wurden, kamen jetzt zu Tage und wurden aufs genauere erörtert. Die Geschichte lief wie ein Lauffeuer um: Der Pfarrer habe wieder einen Anfall von Hochmuth bekommen; er wolle sich wieder ein gutes Pferd anschaffen, und da würde er, das sei ja klar wie der Tag, die Unkosten der Sporteln in einem Jahr zehnfältig herausschlagen; da könne sich ein Jeder selbst klar machen, was für einen Zweck er mit diesem Acte der Mildthätigkeit verfolgt habe.
    Was sein Zweck bei dieser oder bei jeder anderen Handlung seines Lebens gewesen – oder vielmehr was die Meinungen seien, welche in anderer Leute Gehirn hierüber aufkamen, das war ein Gedanke, der nur zu sehr sein eigenes Gehirn bewegte und zu oft seine Ruhe störte, wo er alles Recht gehabt hätte gesund zu schlafen.
    Vor etwa zehen Jahren hatte der Pfarrer das Glück, in dieser Beziehung vollkommen erleichtert zu werden, denn gerade so lange her ist es, daß er den Sprengel verließ – und zugleich die ganze übrige Welt; er ist nun einem Richter verantwortlich, über den sich zu beklagen er keine Ursache haben wird.
    Aber den Handlungen einiger Menschen klebt eine gewisse Schicksalstücke an; sie mögen sie einrichten, wie sie wollen, sie passiren ein gewisses Medium, indem sie so verwirrt und von ihrer wahren Richtung abgebracht werden, daß wenn sie auch noch soviel Anspruch auf jedes Lob haben, welches den Thaten eines edeln Herzens zukommt, die Ausüber derselben ohne ein solches leben und sterben müssen.
    Der gute Pfarrer war ein peinliches Beispiel dieser Wahrheit. Um aber zu ersehen. wie dies kam, und um diese Einsicht nutzbringend für Sie selbst zu machen, ersuche ich Sie dringend, die zwei folgenden Kapitel zu lesen, welche eine solche Skizze seines Lebens und seiner Meinungen enthalten, daß die Moral sich von selbst daraus ergeben wird. Wenn dies geschehen ist und uns sonst nichts dazwischen kommt, wollen wir mit der Hebamme weiter machen.

11. Kapitel.
    Der Name dieses Pfarrers war Yorick, und was besonders merkwürdig an demselben ist, er wurde (wie aus einer alten, auf starkem Pergament geschriebenen und noch vollkommen wohl erhaltenen Familienurkunde hervorgeht) schon vor beinahe – um ein Haar hätte ich 900 Jahre gesagt, – genau so geschrieben. Doch möchte ich meinen Credit

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