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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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darauf machen konnte, ja doch ihm eine volle Hälfte der Ehre gebührte.
    Die Welt war damals geneigt, die Sache anders anzusehen.
    Legen Sie einmal das Buch weg und ich gebe Ihnen einen halben Tag, um das Räthsel dieser Anschauung zu lösen. Aber Sie bringen es nicht heraus.
    So erfahren Sie denn, daß der Pfarrer, mit dem wir zu thun haben, etwa 5 Jahre vor Anstellung der Hebamme, worüber Sie einen so umständlichen Bericht erhalten haben, sich durch eine Handlung, welche die Würde, die er seiner Person, seinem Stand und seinem Amte schuldig war, verletzte, zum Gespräch der ganzen Gegend gemacht hatte. Er erschien nämlich plötzlich auf einem magern, elenden, eselähnlichen Rosse, das ein Pfund fünfzehn Schillinge werth sein mochte, einem Roß, das um meine Beschreibung abzukürzen ein Zwillingsbruder des Rosinante war, in so weit Aehnlichkeit eine solche Verwandtschaft herstellen kann, denn es kam der Beschreibung des letzteren in jeder Beziehung auf ein Haar breit nahe, mit alleiniger Ausnahme, daß ich mich nicht erinnere, ob Rosinante ebenfalls kurzathmig war; und daß Rosinante, wie die meisten spanischen Pferde, ob sie nun dick oder dürr sind, das Glück haben, ohne Zweifel in jeder Beziehung ein Roß war.
    Ich weiß sehr wohl, daß das Roß jenes Helden von keuscher Aufführung war, was einen Grund zu der gegentheiligen Vermuthung hätte abgeben können; aber es ist zugleich ebenfalls sicher, daß Rosinante's Enthaltsamkeit – wie dies aus dem Abenteuer mit den Fuhrleuten hervorgeht – keineswegs einem körperlichen Gebrechen oder einer ähnlichen Ursache, sondern seinem Temperament und dem geordneten Laufe seines Blutes entsprang. – Und gestatten Sie mir hier die Bemerkung, Madame, daß es eine große Portion sehr guter Keuschheit auf der Welt gibt, zu deren Gunsten sich absolut nichts weiter anführen ließe.
    Sei dem wie dem sei, da es meine Absicht ist, einer jeden Persönlichkeit, die ich auf der Bühne dieses dramatischen Werkes erscheinen lasse, volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, so durfte ich diesen Unterschied zu Gunsten von D. Quijote's Pferd nicht unterdrücken; in jeder anderen Beziehung aber war, wie gesagt, des Pfarrers Roß sein
alter Ego
, es war eine so dürre, so schmale, und so armselige Mähre, daß die Demuth selbst es hätte besteigen können.
    Nach der Ansicht mancher Leute von schwachem Urtheil wäre es großenteils bei dem Pfarrer gestanden, der Figur seines Rößleins etwas aufzuhelfen, denn er war im Besitz eines sehr schönen, halbaufgebauschten Sattels, der am Sitz mit grünem Plüsch abgenäht und mit einer doppelten Reihe von silbernen Stiften beschlagen war, wozu noch ein nobles Paar glänzender Messingbügel und eine sehr anständige Unterlagsdecke von superfeinem grauem Tuch mit einer Einfassung von schwarzer Stickerei kam, die in dicke, schwarze, seidene Franzen, mit Goldfäden durchwirkt, verlief. Dies Alles nebst einem mit erhabener Arbeit geschmücktem und in jeder Beziehung wohl verziertem Zaume hatte er sich auf der stolzen Höhe seines Lebens angeschafft. Da er aber nicht die Absicht hatte, sein Thier durch diesen Trödel lächerlich zu machen, hatte er ihn hinter der Thüre seines Studirzimmers aufgehängt, und sich dafür einen solchen Zaum und Sattel angeschafft, wie er gerade zu der Figur und dem Werthe eines solchen Gaules paßte.
    Man kann sich leicht vorstellen, daß der so ausgerüstete Pfarrer bei seinen verschiedenen Umritten in seinem Sprengel, und bei dem benachbarten Adel Allerlei zu hören und zu sehen bekam, was seine Philosophie rostfrei erhielt. Er konnte in der That in kein Dorf reiten, ohne sofort die Aufmerksamkeit von Alt und Jung zu erregen. Die Arbeit stand still wo er vorüber kam, der Eimer blieb mitten über dem Brunnen hängen, das Spinnrädchen vergaß sich zu drehen, sogar das Grübchen- und das Anwerfspiel der Kinder erlitt eine Unterbrechung, solange er in Sicht war; und da seine Vorwärtsbewegung keine der schnellsten war, so hatte er in der Regel vollauf Zeit, um seine Betrachtungen anzustellen, das Seufzen der ernsten Leute und das Lachen der Munteren anzuhören, was er in aller Seelenruhe hinnahm. Sein Charakter war von der Art, daß er einen Spaß von Herzen liebte, und da er wohl sah, welche lächerliche Figur er machte, so pflegte er zu sagen, er könne Anderen nicht böse sein, daß sie ihn in einem Licht erblickten, in welchem er sich selbst so sehr schaue. Gegenüber von seinen Freunden aber, welche

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