Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
wußten, daß Liebe zum Geld nicht seine Schwäche war, und die sich daher um so weniger ein Gewissen daraus machten, über diese sonderbare Laune sich lustig zu machen, zog er es vor, – statt ihnen den wahren Grund davon anzugeben, in das Gelächter über sich selbst mit einzustimmen, und da er selbst keine Unze Fleisch auf den Knochen hatte und eine ganz ebenso schmächtige Figur besaß wie sein Thier, so pflegte er bisweilen hervorzuheben, daß das Roß gerade so gut sei als der Reiter es verdiene; sie seien gewissermaßen wie die Centauren eigentlich aus einem einzigen Stücke. Ein ander Mal, wenn er in einer anderen Stimmung und nicht aufgelegt war einen schlechten Witz zu machen, pflegte er zu sagen, er laborire an der galoppirenden Schwindsucht, und setzte dann sehr ernst hinzu, er könne den Anblick eines fetten Pferdes nicht ohne Herzweh und ohne eine merkliche Herabstimmung seines Pulses ertragen; er habe deshalb das magere Pferd gewählt, nicht nur um seine Gemüthsruhe nicht zu verlieren, sondern auch um stets guter Laune zu sein.
Er gab überhaupt im Laufe der Zeit wol fünfzig launige und passende Gründe an, warum er lieber eine sanftmüthige Mähre von kurzathmigem Gaul als ein feuriges Pferd reite; auf jenem könne er ganz mechanisch sitzen und in aller Gemüthsruhe
de vanitate mundi et fuga saeculi
nachdenken, gerade wie wenn er einen Todtenkopf vor sich hätte; wenn er so langsam dahin reite, könne er seine Zeit zu allen möglichen geistigen Uebungen benutzen, und zwar ebenso gut wie in seinem Studirzimmer, er könne dabei einen Beweis in seiner Predigt ebenso ruhig herstellen wie ein Loch in seinen Hosen; ein scharfer Trab und eine gemächliche Beweisführung seien zwei Bewegungen, die sich ebenso wenig mit einander vertrugen wie Witz und Urtheilskraft. Auf seinem Gaule aber könne er Alles vereinigen und mit einander aussöhnen; da könne er seine Rede zurecht legen, und auch seinen Husten, und wenn die Natur zum Schlafen dränge, so könne er auch das zu Wege bringen. Kurz der Pfarrer pflegte bei solchen Anlässen alle möglichen Gründe anzuführen, nur den wahren nicht; und mit dem hielt er nur deshalb zurück, weil er glaubte, dieser Grund mache ihm Ehre, also lediglich aus Zartgefühl.
Die Sache war aber folgende: In seinen ersten Amtsjahren, um die Zeit, da er den flotten Sattel und Zaum kaufte, war er aus Eitelkeit oder nennen Sie es wie Sie wollen, gerade in das entgegengesetzte Extrem verfallen. Damals ging das Gerede in der Gegend, wo er wohnte, er liebe ein gutes Pferd, und gewöhnlich hatte er auch das beste im ganzen Kirchspiel im Stalle stehen, das immer bereit war gesattelt zu werden. Da nun die nächste Hebamme wie gesagt, wenigstens 7 Meilen weit von dem Dorfe wohnte und der Boden erbärmlich war, so kam es, daß fast keine Woche verging, daß nicht irgend eine flehentliche Bitte um sein Pferd an den armen Pfarrer erging; und da er kein hartherziger Mann und jeder Fall dringender und bedenklicher war als der letzte, so konnte er es nicht übers Herz bringen sein Thier abzuschlagen, so sehr er es auch liebte; das Ende vom Liede war dann in der Regel, daß sein Pferd entweder die Eisen verloren hatte oder spatlahm wurde, oder einen Hornspalt bekommen hatte, oder war es zitterig, oder kurzathmig geworden, oder war ihm sonst etwas zugestoßen, was ihm vom Fleische half; so daß er alle 9–10 Monate einen schlechten Gaul abschaffen und einen neuen guten dafür anschaffen mußte.
Wie hoch sich der Verlust
communibus annis
bei einem solchen Handel belaufen mußte, überlasse ich einer Spezialjury von Leidensgefährten zu bestimmen. Wie es damit aber auch sein mochte, der Biedermann ertrug die Sache manches Jährchen ohne ein Wort zu sagen, bis er es endlich nach einer wiederholten Reihe von Unfällen jener Art für durchaus nothwendig fand, die Sache einer näheren Betrachtung zu unterziehen; und nachdem er Alles wohl erwogen und bei sich zusammen addirt hatte, fand er es nicht nur außer allem Verhältniß mit seinen übrigen Ausgaben, sondern der Artikel fiel an und für sich selbst so ins Gewicht, daß er ihn außer Stand setzte, irgend welche andere Handlung der Wohlthätigkeit in seinem Sprengel zu üben; ja mit der Hälfte der so weg galoppirten Summe, hätte er zehen Mal mehr Gutes thun können. Was aber bei ihm noch schwerer wog als alle anderen Betrachtungen zusammen, war der Umstand, daß auf diese Art all seine Mildthätigkeit dem Einen besonderen Kanal zufloß, wo
Weitere Kostenlose Bücher