Leerer Kuehlschrank volle Windeln
sich bequem durch die Gegend schaukeln und schläft binnen weniger Minuten ein.
Bis zum Abend komme ich mit meiner Rolle als Vollzeit-Johanna-Betreuer gut klar, doch dann wird sie quengelig. Ich bin mit ihr allein im Speisesaal, denn Christin muss noch immer büffeln. Für mich wäre eine Verschiebung der Mahlzeiten kein Problem, aber für Babys ist ein geregelter Tagesablauf wie ein Gesetz – und wer das bricht, muss mit harten und vor allem lauten Konsequenzen leben. Obwohl ich zeitlich optimal im Rahmen bin, sind es die ungewohnten Umstände, die Johanna zur Weißglut treiben. Da kommt alles auf einmal zusammen: »Wo bin ich hier eigentlich, was machen die ganzen fremden Leute da um mich herum und wo zur Hölle ist Mama?«, scheint sie zu denken.
Nach ein paar Löffeln Brei ist sie nicht mehr zu beruhigen und schreit wie am Spieß. Die Intensität ihres Schreiens hat sich seit ihrer Dreimonatskoliken exorbitant verstärkt. Während sie früher Krach wie ein Düsenjet machte, donnert es nun lautstärkentechnisch um mich herum, als wenn ich meinen Kopf ins Triebwerk eines Airbus A380 gesteckt hätte. Die Restaurant-Gäste schauen zu uns, als wäre ich ein Rabenvater, der seinem Kind das Lieblingsspielzeug weggenommen hat. Hart treffen mich die bösen Blicke einer achtköpfigen Nordic Walking-Sportgruppe. Also packe ich schnell alles zusammen und flüchte in unser Zimmer. Dort kann ich Johanna trösten, und sie isst sogar noch den restlichen Brei auf. Das Thema Essen ist für sie also erledigt. Für Christin und mich allerdings noch nicht. Meine Liebste kommt erst in zwei Stunden von ihrem Seminar und bis dahin muss ich mir etwas einfallen lassen. Nach der eben erlebten peinlichen Szene gehe ich definitiv nicht mehr in den Speisesaal. Ich könnte natürlich nachfragen, ob man mir etwas aufs Zimmer bringt, aber das scheitert an drei Problemen: Erstens gibt es kein Telefon im Zimmer, zweitens zeigt der Funkempfangsstatus meines Handys nicht ein klitzekleines Bälkchen an und drittens: Wen sollte ich anrufen? Es ist ja ein Selbstbedienungsbuffet und nur in der Küche wird jemand herumspringen.
Vielleicht kann ich ja online etwas bestellen? Viel Hoffnung habe ich nicht. Trotzdem klappe ich meinen Laptop auf und kriege große Augen. Ich habe WLAN -Empfang. Wahnsinn. WLAN! Hier! In diesem Schuppen! Wo am Kleiderschrank noch ein VEB -Schild klebt und an den Wänden im Flur auf Plakaten Olympia 1988 gefeiert wird. Ich bin begeistert. Pizza, ich komme!
Meine Internetsuche nach einem Pizzaservice, der bis zur rechten Pohälfte der Welt liefert, versandet genauso flott, wie ich mich über den Onlinezugang gefreut habe. Ein Satz mit X: Das war wohl nix! Keiner der wenigen vorhandenen Bringdienste will die rund zwanzig Kilometer vom nächstgelegenen Ort zurücklegen. Es ist zum Verzweifeln! Mein Magen knurrt und ich finde auf die Schnelle keinen Weg, diesen Zustand zu verbessern. Kurz vor dem Aufgeben lande ich auf der Homepage eines Sushi-Restaurants. HIER gibt es Sushi? Wieder eine Überraschung. Das japanische Restaurant ist fünfunddreißig Kilometer entfernt, würde mir aber alles liefern, wovon ich träume – wenn ich mindestens für fünfzig Euro bestelle. Bei meinem Hunger dürfte das kein Problem sein. Außerdem sind wir ja zu zweit.
Zuerst tippe ich den Unterkunftsnamen, die Adresse und die Zimmernummer ein. Dann huschen meine Augen vom hungrigen Magen dirigiert über die leckeren Fischhappen und ich klicke unsere Lieblings-Sushis in den digitalen Warenkorb. Gleich ist unser Menü fertig.
Ausgerechnet jetzt fordert Johanna von mir jedoch die volle Aufmerksamkeit. Die letzten Minuten hatte sie sich großartig mit dem Zerreißen der Fernsehzeitung beschäftigt. Das ist nun uninteressant geworden. Also nehme ich sie auf meinen Schoß und sie freut sich über den Blick auf den Bildschirm. Schon jetzt liebt sie Technik und starrt verzückt auf den Monitor. Das reicht ihr aber nicht. Johanna will auch anfassen und erkunden. Jetzt!
Mit ihren kleinen Händchen patscht sie auf die Tastatur, als wolle sie ein Kissen aufschütteln. Das Einzige, was sie schüttelt, ist allerdings der Bildschirminhalt. Die Seite springt hin und her, wird plötzlich schwarz und erscheint wieder. Puh. Glück gehabt. Ich muss nicht von vorn beginnen. Rasch drücke ich auf den Bestell-Button, bevor Johanna noch etwas löscht und ich neu anfangen muss.
Jetzt soll unsere Tochter wieder auf ihre Kosten kommen. Sie liebt den Sandmann, und ich
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