Leerer Kuehlschrank volle Windeln
– und sogar rosa Plüschdeckel. In manche Klobrillen und dazugehörigen Deckel sind Stacheldraht, Strandsand, Schmetterlinge oder Laub eingelassen. Und all diese peinlichen Variationen bleiben schön hier hängen, so wie sie es wahrscheinlich schon seit Jahren tun. Ich glaube, die meisten von ihnen werden nie einen nackten Hintern zu sehen bekommen.
Während ich die Kunstwerke begutachte, merke ich, dass ich selbst begutachtet werde. Ein Mann, etwa Anfang vierzig, schlaksig und mit Brille, steht gut zehn Meter mit seinem Einkaufswagen neben mir und interessiert sich ebenso für Klobrillen. Ab und zu blickt er zu mir rüber. Der ist sich wohl auch unsicher, was für ein Modell er nehmen will. Kein Wunder bei der riesigen Auswahl an Masse statt Klasse. Nun, ich könnte ihm nicht behilflich sein, denn ich bin selbst überfordert. Nachdem ich noch ein paar Mal den Gang hoch und runter spaziert bin, entscheide ich mich für ein schlichtes, stabiles, weißes Modell mit einer Abfeder-Automatik, die ein Herunterpoltern des Deckels verhindern soll.
Weil ich schon mal hier bin, will ich auch gleich noch ein paar Nägel mitnehmen. Ich habe gefühlte sechs Millionen Johanna-Fotos. Ein kleines Best Of daraus soll demnächst in weißen Bilderrahmen unseren Flur zieren. Ich schlurfe suchend durch die Gänge und bleibe vor einer ganzen Armee von Nägeln stehen. Wie soll ich die richtigen für mein Vorhaben finden? Ich blicke mich um, meine Augen suchen einen Verkäufer. Aber es ist, wie es immer ist im Baumarkt: Wenn man jemanden braucht, sind alle Rothemden fix in irgendwelchen Luken verschwunden und kommen erst wieder heraus, wenn König Kunde außer Sichtweite ist. Der Einzige, den ich erblicke, ist der Mann, der vorhin schon am Klobrillenregal stand. Er steht ein paar Meter neben mir und sucht wie ich verzweifelt nach der richtigen Nagelsorte. Was für ein Zufall. Ich greife ins Regal und erwische ein Päckchen mit Nägeln, die mir für die Bilder geeignet erscheinen.
So, jetzt noch ein Hammer. Meinen letzten und einzigen hat einer der Umzugsmänner versehentlich eingesteckt. Auf geht es zur Hammer-Abteilung. Keine zwanzig Sekunden später erscheint wieder der Typ von eben auf der Bildfläche. Diesmal ganz am Ende des Regals. Wieder glotzt er ständig herüber. Was will er denn nur? Als ich mir darüber Gedanken mache, fallen mir zwei Dinge auf. Erstens: Sein Einkaufswagen ist noch immer leer. Und zweitens: Obwohl draußen Temperaturen um die fünf Grad Celsius herrschen, läuft er im T-Shirt und ohne Jacke herum. Komischer Kauz!
Ich betrachte die gigantische Hammer-Auswahl, und während ich überlege, welches Modell die beste Wahl für mich darstellt, fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren – direkt vor meine Augen: Ich weiß, was der will. Na klar. Ich Idiot! Oder treffender: DER Idiot! Na dem werde ich es zeigen! Ich zuckele mit meinem Kinderwagen von einem Regal zum nächsten und fühle mich sofort bestätigt, als ich einen Blick nach hinten riskiere. Mr. Oberschlau ist mir immer noch auf den Fersen. Ich ziehe mein Tempo an, biege urplötzlich rechts in eine Regalreihe ein, sause bis zu deren Ende, flitze links um die Kurve und rase an der Rückseite bis zum Anfang der Reihe zurück. Der Typ läuft hektisch mit seinem Einkaufswagen in die Reihe hinein, in der ich eben verschwunden bin. Am Ende des Regals verlangsamt er sein Tempo und guckt vorsichtig um die Ecke, ob er mich entdecken kann. Das kann er natürlich nicht, denn ich stehe ja ein paar Meter HINTER ihm – und schleiche mich vorsichtig an ihn heran.
Sein verwirrter Blick, als er mich nicht sehen kann, ist köstlich. Aber noch köstlicher ist seine Reaktion, als er sich umdreht und MICH hinter ihm stehen sieht. Da fällt ihm fast vor Schreck die Brille von der Nase.
»Na? Überrascht?«, frage ich ihn. Bevor er antworten kann, lege ich gleich nach: »Hören Sie mal, Sie machen hier einen echt miesen Job. Selbst meine schlafende Tochter sieht auf den ersten Blick, dass Sie kein echter Kunde sind, so wie Sie hier umherstaksen. So auffällig, wie Sie sich verhalten, werden echte Ladendiebe Sie definitiv nicht ernst nehmen. Ich bin übrigens keiner, Sie können also in Ruhe einen Kaffee trinken gehen. Wenn Sie zurück sind, ziehen Sie sich mal eine Jacke drüber und stopfen Sie sich den Wagen voll. Ist einfach glaubwürdiger. Einen schönen Tag noch, Mister Holmes! Die Kleine wird gleich wach. Und sie kann echt laut und schadenfroh lachen.«
SUSHI IM
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