Leerer Kuehlschrank volle Windeln
schalte den alten Röhrenfernseher ein. Just in dem Moment beginnt die Titelmelodie: »Sandmann, lieber Sandmann, es ist noch nicht so weit …« Das nenne ich Timing. Wenn Johanna dieses Lied hört, kichert sie vor Freude. Dasselbe Schauspiel dann wieder am Ende der Sendung. Der Kindergesang fängt an, Johanna lacht, der Sandmann streut den Traumsand und winkt den Kindern zum Abschied – und wir winken gemeinsam zurück. Winken hatte sie schon zeitig drauf. Das kommt von unserem täglichen Verabschiedungs-Ritual, wenn ich zur Arbeit fahre. Seitdem winkt sie allem und jedem zu.
Was sie auch sehr schnell gelernt hat, ist das Klatschen. Mit Wonne klatscht sie in die Hände. Als Christin ins Zimmer kommt, wird Johanna euphorisch und applaudiert. So lange am Stück und ganz allein hatte sie ihren Papa noch nie an der Backe. Meine Frau nimmt Johanna auf den Arm und lobt mich für die bestandene Tagesaufgabe. Nun übernimmt sie – und hat auch wegen meiner Vorarbeit kaum zu tun. Johanna ist so müde gespielt, dass sie schon nach den ersten Schlucken an der Brust einschläft.
Gut zehn Minuten später klopft es an der Tür – unser Hunger wird in wenigen Augenblicken Geschichte sein. Der Lieferant drückt mir eine Sushi-Box in die Hand. Und noch eine. Und noch eine.
»Moment, so viel habe ich doch gar nicht bestellt«, sage ich irritiert.
»Doh doh, hier is Recknunk. Mackt dann bitta Underviehunviehzickeuozwanzick!«
»Nee, da muss wirklich eine Verwechslung vorliegen«, erwidere ich, von einem Fehler ausgehend.
»Doh doh, hier kannst du kuckan!«
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich sehe mir die Rechnung an – da steht tatsächlich: 144 Euro und 20 Cent. Weiter oben sehe ich den größten Posten der Bestellung: 29 mal Thunfisch-Nigiri! Das habe ich doch nie im Leben bestellt! So groß ist mein Hunger nun doch nicht. Ich gehe in Gedanken noch einmal den Bestellvorgang durch – und wie vom Blitz getroffen wird mir klar, WER die 29 Nigiri-Portionen bestellt hat. Johanna! Sie muss mit ihren Fingern beim Draufhämmern eine Neun hinter meine Zwei gefummelt haben.
Meine 150 Euro, die ich vor unserem Trip aus dem Automaten gezogen habe, wechseln den Besitzer. Wir machen das Beste draus. Zumindest soweit es geht. Irgendwann sagen Christin und ich abwechselnd nach jedem Happen: »Ich kann nicht mehr.« Ganz ehrlich: Sushi kann mir für die nächsten Monate gestohlen bleiben.
JOHANNA ENTDECKT DIE WELT
Jeder Tag Johannas ist gefüllt mit neuen Erfahrungen und Erlebnissen, und stets will sie hautnah dabei sein, ganz nah dran an dem, was wir machen. Saugt Christin Staub, krabbelt Johanna um den Staubsauger herum und erkundet ihn. Mittlerweile hat sie einen Trick raus, mit dem sie den Vorgang deutlich verlängert. Sie drückt auf den Ein-und Ausschalter oder auf den Knopf, der das Kabel automatisch einzieht. Bei einer anderen Haushaltstätigkeit hilft sie sogar mit, dass es schneller geht: Eines ihrer Lieblingsspiele ist es, die Wäsche aus der Waschtrommel zu holen. Sie steckt dann ihren Kopf und den halben Oberkörper in die Trommel, fischt ein Wäschestück heraus und übergibt es freudestrahlend zum Aufhängen.
Unsere Tochter hat einen unstillbaren Entdeckungsdrang. Wenn ich mit ihr auf dem Arm durch die Wohnung laufe, deutet sie mit dem Zeigefinger auf etwas, das sie interessiert und von mir erklärt haben möchte. Sie kommentiert diesen Vorgang mit einem fordernden »Dat!« Ein paar Wochen zuvor flüsterte sie noch ganz zaghaft ein »Da!«, jetzt artikuliert sie ihre Wünsche energischer und kräftiger in der Stimme. Sie kommt mir vor wie eine sprechende Wünschelrute, wenn sie mit »Dat, dat, dat, dat, dat …« und ihrem kleinen Ärmchen agiert. Hat sie das Objekt ihrer Begierde erreicht, wird das gute Stück ausgiebig untersucht, bevor das nächste ins Visier genommen wird.
Wenn sie durch die Wohnung räubert, ist nichts vor ihr sicher, zumal sie sich nun auch schon aufrecht bewegen kann. Sie zieht sich an Schränken, an Stühlen oder am Tisch hoch und läuft ringsherum, während sie sich daran festhält. Gern auch am Geschirrspüler. Kaum dreht man sich für ein paar Sekunden um, sitzt sie auch schon auf der offenen Geschirrspülerklappe. Sie räumt Schränke und Regale aus und will überall hineinkriechen. Ihr eigentliches Spielzeug bleibt links liegen. Ist doch viel schöner, mit einem Teelöffel Schlagzeug auf den Blumentöpfen zu spielen, Baby-Creme im Gesicht und überall im Badezimmer zu verteilen
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