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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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einen ungeheuren Dienst erwiesen.«
    Ich salutiere knapp. Days Einfluss ist bereits allerorten spürbar: Nach seiner improvisierten Volksansprache haben sich der Kongress und das Militär Andens Befehlen gebeugt, indem sie alle Demonstranten straffrei nach Hause geschickt und die wegen des Mordanschlags verhafteten Patrioten auf Bewährung freigelassen haben. Wenn der Senat Day bis dahin noch nicht gefürchtet hat, dann tut er es spätestens jetzt. Im Augenblick hat er die Macht, mit nur ein paar gezielten Worten eine ausgewachsene Revolution loszutreten.
    »Aber …« Andens Stimme wird leiser, er nimmt die Hände aus seinen Taschen und verschränkt sie vor der Brust. »Ich habe noch einen anderen Vorschlag für Sie. Ich bin der Meinung, Sie verdienen einen höheren Posten.«
    Ich muss an unsere gemeinsame Zugfahrt denken, an das unausgesprochene Angebot auf seinen Lippen. »An was für einen Posten denken Sie?«
    Schließlich ringt er sich doch dazu durch, sich zu mir aufs Bett zu setzen. Jetzt ist er mir so nah, dass ich seinen Atem sanft auf meiner Wange spüre und den Bartschatten an seinem Kinn sehen kann. »June«, beginnt er, »die Republik war nie instabiler als heute. Day hat sie gerade noch vor dem Zusammenbruch gerettet, aber ich regiere weiterhin in gefährlichen Zeiten. Viele der Senatoren bekämpfen sich gegenseitig und eine ganze Reihe von Leuten in diesem Land lauert nur darauf, dass ich einen falschen Schritt mache.« Anden hält eine Sekunde inne. »Ein einziger Moment reicht nicht aus, um das Volk dauerhaft hinter mich zu bringen, und ich schaffe es nicht, diese Republik allein zusammenzuhalten.«
    Ich weiß, dass er die Wahrheit sagt. Ich sehe die Erschöpfung in seinem Gesicht und den Frust, den die Aufgabe, für dieses Land verantwortlich zu sein, mit sich bringt.
    »Als mein Vater noch ein junger Elektor war, haben er und meine Mutter gemeinsam regiert. Der Elektor und seine Princeps. Seine Macht war nie wieder so groß wie in diesen Jahren. Ich hätte auch gern jemanden an meiner Seite, einen umsichtigen, starken Partner, dem ich mehr Verantwortung anvertrauen kann als irgendjemandem sonst im Kongress.« Mein Atem wird flach, als mir klar wird, um was für ein Angebot er hier herumredet. »Ich will eine Partnerin , die ihren Finger am Puls der Bevölkerung hat, mit außergewöhnlichen Begabungen und die meine Vorstellung von einem guten Land teilt. Natürlich kann eine Agentin nicht in einem einzigen Schritt zur Princeps aufsteigen. Dazu ist eine lange Zeit der Einweisung, Ausbildung und Vorbereitung nötig. Die Möglichkeit, über Jahre, Jahrzehnte, in dieses Amt hineinzuwachsen, erst als Senatorin und schließlich als Vorsitzende des Senats. Es würde sicher keine leichte Zeit, schon gar nicht für jemanden ohne jegliche Senatserfahrung. Und natürlich würde es auch noch andere Princeps-Anwärter geben, die mich begleiten.« Wieder hält er inne, dann ändert sich sein Tonfall. »Was sagen Sie?«
    Ich schüttele den Kopf, denn ich kann noch immer nicht ganz glauben, was Anden mir hier gerade anbietet. Die Möglichkeit, die nächste Princeps zu werden – das Amt, das direkt dem des Elektors untersteht. Ich würde so gut wie jeden wachen Moment meines Lebens mit Anden verbringen, ihm für die nächsten zehn Jahre nicht von der Seite weichen. Ich hätte keine Zeit mehr, Day zu sehen. Dieses Angebot lässt meinen Traum von einem Leben mit ihm gefährlich ins Wanken geraten. Bietet Anden mir diese Möglichkeit nur an, weil er meine Fähigkeiten schätzt, oder lässt er sich von seinen Gefühlen beeinflussen und befördert mich, weil er hofft, auf diese Weise mehr Zeit mit mir verbringen zu können? Und wie um alles in der Welt sollte ich neben den anderen Princeps-Anwärtern bestehen, von denen die meisten zig Jahre älter sein würden als ich oder sogar schon Senatoren? Ich hole tief Luft und setze zu einer diplomatischen Antwort an. »Elektor, ich glaube nicht, dass –«
    »Fühlen Sie sich nicht unter Druck gesetzt«, unterbricht Anden mich, dann schluckt er und lächelt zögerlich. »Es steht Ihnen absolut frei, dieses Angebot abzulehnen. Und Sie könnten auch Princeps sein, ohne …« Sehe ich Anden etwa erröten? »Sie sind zu nichts verpflichtet«, sagt er stattdessen. »Aber es wäre eine Ehre für mich – für die Republik –, wenn Sie einwilligen würden.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dafür geeignet bin«, erwidere ich schließlich. »Sie brauchen jemand viel Besseren, als ich

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