Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
Lidern auf, dann sickert ein kalter, kribbelnder Impuls durch mein Gehirn und meine Wirbelsäule hinunter. Sie stülpen mir eine gelartige Maske über Mund und Nase. Während dieser Prozedur muss ich mich jedes Mal mit aller Kraft zusammenreißen, um nicht in Panik zu geraten, um die Klaustrophobie niederzukämpfen, das Gefühl zu ertrinken. Es ist nur eine Untersuchung, sage ich mir. Sie untersuchen mich auf Reste einer möglichen Gehirnwäsche in den Kolonien, meine mentale Stabilität, daraufhin, ob der Elektor – und damit die gesamte Republik – mir trauen kann oder nicht. Das ist alles.
Stunden vergehen. Irgendwann ist es vorbei und der Arzt sagt mir, dass ich die Augen wieder öffnen kann.
»Gut gemacht, Ms Iparis«, lobt er mich, während er irgendetwas in seinen Computer eintippt. »Der Husten wird vielleicht noch eine Weile anhalten, aber ich glaube, den schlimmsten Teil haben Sie überstanden. Sie dürfen natürlich gern noch ein wenig länger bleiben«, er grinst, als er mein frustriertes Gesicht sieht, »aber wenn Sie lieber in Ihre neue Wohnung entlassen werden möchten, können wir das noch heute in die Wege leiten. Unser ehrwürdiger Elektor würde Sie allerdings gern noch kurz sprechen, bevor Sie gehen.«
»Wie geht es Day?«, frage ich. Es fällt mir schwer, die Ungeduld aus meiner Stimme zu verbannen. »Wann kann ich ihn sehen?«
Der Arzt runzelt die Stirn. »Hatten wir das nicht schon besprochen? Day wird kurz nach Ihnen entlassen. Zuerst steht noch das Treffen mit seinem Bruder an.«
Ich studiere sein Gesicht. Der Arzt hat an dieser Stelle nicht ohne Grund gezögert – es muss irgendetwas mit Days Testergebnissen zu tun haben. Ich sehe, wie die Muskeln in seinem Gesicht kaum merklich zucken. Er weiß etwas, das ich nicht weiß.
Der Arzt holt mich zurück in die Wirklichkeit. Er legt seinen Computer beiseite, richtet sich auf und zaubert ein gekünsteltes Lächeln auf seine Lippen. »Tja, das wäre dann alles für heute. Morgen befassen wir uns mit Ihrer Wiedereingliederung in die Republik und Ihren beruflichen Perspektiven. In ein paar Minuten wird der Elektor hier sein und anschließend haben Sie noch ein bisschen Zeit, um sich fertig zu machen.« Mit diesen Worten packen er und die Krankenschwestern ihre Geräte zusammen und lassen mich allein.
Ich sitze auf dem Bett und halte den Blick auf die Tür gerichtet. Meine Schultern sind in einen dunkelroten Umhang gehüllt, doch in diesem Zimmer wird mir einfach nie richtig warm. Als Anden hereinkommt, zittere ich vor Kälte.
Mit seiner gewohnten Eleganz betritt er lautlos den Raum, er trägt dunkle Stiefel, einen schwarzen Schal und seine Uniform. Sein welliges Haar ist tadellos frisiert und eine dünnrandige Brille sitzt auf seiner Nase. Als er mich sieht, salutiert er lächelnd. Die Geste erinnert mich schmerzlich an Metias und ich muss für einen Moment auf meine Füße starren, um die Fassung wiederzuerlangen. Zum Glück scheint Anden das als angedeutete Verbeugung zu verstehen.
»Elektor«, grüße ich ihn.
Er lächelt, seine grünen Augen mustern mich von Kopf bis Fuß. »Wie geht es Ihnen, June?«
Ich erwidere sein Lächeln. »Gut, danke.«
Anden lacht leise und senkt dann den Kopf. Er kommt zu mir herüber, aber er setzt sich nicht zu mir aufs Bett. Ich sehe noch immer das Verlangen in seinen Augen, bemerke die Art, wie er jedes Wort, das ich sage, und jede meiner Bewegungen in sich aufsaugt. Mittlerweile müssen ihm doch wohl die Gerüchte über meine Beziehung zu Day zu Ohren gekommen sein? Falls er davon weiß, lässt er es sich jedenfalls nicht anmerken.
»Die Republik«, sagt er dann, etwas verlegen, weil ich ihn beim Starren erwischt habe, »das heißt, die Regierung, hat entschieden, dass Sie in Ihrem früheren Dienstrang ins Militär zurückkehren werden. Als Agentin, hier in Denver.«
Also schicken sie mich nicht zurück nach Los Angeles. Das Letzte, was ich von dort gehört habe, ist, dass die Quarantäne aufgehoben wurde, nachdem Anden Ermittlungen im Senat eingeleitet hatte, um die Verschwörer zu identifizieren – und dass sowohl Razor als auch Commander Jameson unter dem Vorwurf des Verrats verhaftet worden sind. Ich kann nur ahnen, wie sehr Jameson Day und mich nun hasst … Allein die Vorstellung ihres wutverzerrten Gesichts jagt mir einen eisigen Schauer über den Rücken.
»Danke«, erwidere ich nach einer Weile. »Das ist sehr großzügig.«
Anden hebt eine Hand. »Nicht nötig. Sie und Day haben mir
Weitere Kostenlose Bücher