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Leiche in Sicht

Leiche in Sicht

Titel: Leiche in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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Freunde alle zu sehr verschuldet waren oder
gerade ein Baby bekommen hatten und deshalb für diese Reise nicht in Betracht
kamen.» Eine solche Offenheit war für Kate so ungewohnt, daß sie fast etwas wie
Zuneigung für Mr. Pringle verspürte.
    «Unter uns gesagt, Mr. Pringle, an
Ihrer Stelle würde ich mir nicht allzu viele Sorgen machen. Ich denke, Sie
werden bald feststellen, daß Sie kaum weniger kompetent sind als die anderen
hier. Und vielleicht haben Sie sogar dem einen oder anderen etwas an Erfahrung
voraus.»
    Zufrieden, ihn beruhigt zu haben,
verließ sie ihn. Mr. Pringle griff sich ans Zwerchfell. Der Gedanke, daß es
hier Leute gab, die noch unerfahrener waren als er, erschreckte ihn über alle
Maßen. Seiner Ansicht nach waren die Chancen für eine gute Fahrt unter diesen
Bedingungen gleich Null. Da war ja die Marie Celeste noch unter einem
glücklicheren Stern gesegelt...
     
    Die Straße stieg sanft an. Unter ihnen
öffnete sich die Weite der Landschaft; Dörfer und Villen wurden seltener. Ab
und zu sahen sie in den terrassenartig angelegten Olivenhainen einen
angepflockten Esel oder einen Ziegenbock. Am höchsten Punkt angekommen, hielt
der Bus. Sie rochen den Duft von wildem Majoran und hörten die Grillen zirpen.
    «Das da unten ist die Bucht von
Sivota», rief Kate. «Wer will, kann fotografieren, Sie haben fünf Minuten
Zeit.» Mr. Pringle stand auf und sah sich um. Im Dunst sah er tiefblau das Meer
leuchten, und auf einmal verspürte er Ungeduld, endlich dort zu sein und das
warme Salzwasser auf seiner Haut zu spüren.
    «Na, wie gefällt es dir hier?» Matthew
war neben ihn getreten und sah ihn fragend an. «Ich bin dir sehr dankbar, daß
du mich hierhergebracht hast», sagte Mr. Pringle scheu. «Ich hoffe nur, daß ich
euch auch wirklich eine Hilfe sein werde.»
    «Keine Angst, Onkel. Liz und ich werden
schon dafür sorgen, daß du segeln lernst.» Mr. Pringle war gerührt.
    Sivota lag hinter einer scharfen
Haarnadelkurve; der Bus drehte sich fast um seine eigene Achse. Die Straße fiel
nach rechts hin steil ab, und Mr. Pringle vermied es, aus dem Fenster zu sehen.
Sie fuhren zügig, bis die Straße in eine Art Sandweg überging und der Fahrer Gas
wegnehmen mußte. Die letzten paar hundert Meter gingen sie zu Fuß. Die Frauen
im Dorf lugten verstohlen über ihre Balkone und lächelten ihnen scheu zu. Ein
alter Mann hob, als er sie bemerkte, würdevoll die Hand zum Gruß, und dann
entdeckten sie auf einmal die Boote — eine silbrig-weiße Linie von acht mit dem
Bug am Kai vertäut liegenden Yachten. Die Kinder der Clarkes, Hansons und Gills
rasten los; jeder wollte der erste an Bord sein.
    Am Ende des Tals ragte die von
Bougainvillea umrankte Veranda von Iannis Restaurant über das Wasser.
Hier wollten sie, so hatte Kate ihnen gesagt, heute zu Abend essen. Mr. Pringle
sah, wie ein breitschultriger Mann aus der Küche trat, vor sich ein Tablett mit
einem Dutzend Bierflaschen, an denen in kleinen Bächen kühles Kondenswasser
herunterrann. Ehe er sich’s versah, saß er auch schon in einem der
Plastikstühle.
    «‘allo», sagte Ianni. «Willkommen in
Griechenland.»
     
    An Bord der Capricorn angekommen, tranken sie erst einmal einen Begrüßungsschluck, dann gingen
Matthew und Liz ans Auspacken. Mr. Pringle hatte ihnen angeboten zu helfen,
aber er sah bald, daß die beiden ohne ihn schneller fertig wurden. Geduldig
hörte er zu, wie Patrick und John ihm und den beiden anderen erklärte, wie der
Motor funktionierte, aber er verstand kein Wort. Schließlich öffnete er sich
den Hemdkragen, band sich den Schlips ab und ging an Deck, um zu beobachten,
was sich auf den anderen Booten tat.
    Auf der Backbordseite waren Phyllis und
ihre Leute dabei, sich auf der Aquarius einzurichten. Phyllis hielt es
offensichtlich für notwendig, den anderen klarzumachen, wer der Skipper an Bord
war. «Nein, Reggie, nein!» hörte Mr. Pringle sie brüllen. «So doch nicht!
Erinnere dich, was damals in Poole passiert ist.» Zwei Leuten ihrer Crew war
das Gezeter wohl zuviel geworden, sie meuterten bereits, und es sah so aus, als
ob Reggie sich ihnen anschlösse. Schließlich gab Phyllis sich geschlagen, und
alle vier rekelten sich in der Plicht und ließen die im Duty-free-Shop
eingekaufte Ginflasche kreisen.
    Auf der Steuerbordseite lag die Aries. Hier ging es friedlicher zu: Die beiden Miss Fairchild waren dabei, sich zu
entkleiden. Als erst Charlotte, dann Emma an Deck erschien, gingen Mr. Pringle
die Augen

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