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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Gurt und tat etwas, das bis vor kurzem undenkbar für sie gewesen wäre: Mutig setzte sie sich einen Platz weiter neben den erstaunten Desmond. »Ich wäre sehr gerne überall dabei gewesen. Im Übrigen habe ich ihnen auch einiges zu erzählen.«
    Sie schlug den Deckel des Fotoalbums auf, die dünne Pergamentseite flog zur Seite weg und legte ein rotstichiges Foto frei. Ivys Mutter. Sommersprossig lachte sie direkt in die Kamera, ihre grünen Augen blitzten vergnügt, und ihr rotes, wildes Haar legte sich in Wellen um ihr Gesicht und über ihre Schultern. Ivy blinzelte ungläubig. »Das, das ist meine Mutter. Ich wusste nicht, dass es ein Foto von ihr gibt. Mein Vater hat sie nie fotografiert. Zumindest dachte ich das.«
    Ivy blätterte die Seite um. Wieder nur ein Bild ihrer Mutter. In Schlaghosenjeans, kariertem Hemd und ihrer meergrünen Strickjacke unter der herbstlichen Magnolie im Garten. Die Sonne kam schräg von hinten, sodass ihr Haar, wie eine einzige strahlende Corona, ihren Kopf umrahmte.
    Desmond rutschte näher zu ihr heran. Ivy spürte seinen warmen Atem unter ihrem Ohr. Es war gut, ihn bei sich zu haben. Er räusperte sich: »Sie war sehr schön.«
    »Ja.« Ivy schluckte. »Ich habe sie so lange nicht mehr gesehen. Seit über zwanzig Jahren nicht mehr. …Mein Vater hat überall bei uns zu Hause nach dem Album gesucht, und ich hab es erst gestern bei mir gefunden, ohne zu wissen, dass sie so nah bei mir war, all die Jahre, in denen ich sie hätte gut gebrauchen können.«
    Das nächste Bild zeigte Ivy als Baby im Arm ihrer Mutter in der Küche. Dann draußen im sonnigen Hof neben dem Brunnen. Sie, Nathalie und ihre Mutter in Buenos Aires auf der Veranda vor dem Haus von Onkel Hans.
    Desmond beugte sich über die Fotografien. »Sie hat immer gelacht, was?«
    »Genau nach diesem Beweis hat mein Vater gesucht«, sagte Ivy. »Dass sie glücklich war.«
    »Wo …«, Desmond fuhr sich mit der Hand über das Kinn, unsicher, ob er es aussprechen sollte. »Ich meine, was ist mit ihr passiert?«
    Ivy öffnete den Mund, ohne etwas zu sagen. Sie sah sich am seichten Seeufer stehen, in der Mittagshitze dieses einen Augusttages. Ungläubig hatte sie auf ihre Mutter hinuntergesehen, die die Arme, ganz wie es ihre Art war, ausgebreitet hatte. Die Hände lagen wie Muschelschalen, in denen sich feiner Sand und Wasser gesammelt hatte. Der Saum des weißen Sommerkleides schwappte mit den sanften Wellen hin und her. Desmond blickte Ivy von der Seite an, mit einem Mal hatte sich ihr Gesicht verändert, zu dem eines allein gelassenen Kindes, eines Mädchens, das keinen Trost gefunden hatte. Ihre Hände umklammerten das Album.Sie holte Luft und flüsterte. »Sie hat sich das Leben genommen. Und wir wissen nicht, warum.«
    Desmond legte seinen Arm um Ivy. Ganz fest hielt er sie. So fest, wie er in seinem Leben noch nie einen Menschen gehalten hatte, und er spürte, wie all seine Kraft, seine Stärke und sein Vertrauen, dass immer alles gut werden würde, in diese Frau hineinfloss, die er sein Leben lang halten wollte, um mit ihr zu sein. »Hat sie denn keine Nachricht hinterlassen?«
    Ivy zuckte mit den Schultern, während ihr rechts und links an der Nase die Tränen hinunterglitten.
    Sie blätterte die nächste Seite um. Es folgte eine Reihe von Urlaubsfotografien aus Buenos Aires, wo sie mehrere Sommer bei ihrem Onkel Hans und seiner Familie im Haus verbracht hatten. Und tatsächlich hatte ihr Vater besonders häufig seine übergewichtige Schwester Agnes fotografiert, um sie zu ärgern. Denn sobald sie mitbekommen hatte, dass Walter sie im Visier hatte, war sie hinter der Verandatür oder den Eseln, die träge in der Nachmittagssonne neben dem Holzschuppen grasten, in Deckung gegangen. Ivy strich lächelnd über die Bilder. »Das war in Mar del Plata bei meinem Onkel.«
    »Sie haben früher tatsächlich Intercontinentalflüge angetreten?« Desmond grinste hoffnungsfroh.
    »Ja!« Ivy lächelte und bemerkte entschlossen. »Und irgendwann, wenn die Gelegenheit günstig ist, werde ich es vielleicht wieder tun.«
    Drei Seiten weiter tippte Desmond auf eine Fotografie, die kurz vor Ivys elftem Geburtstag auf dem Gemeindefest rund um die gotische Siedlungskirche entstanden war. Ivy, Nathalie und Tamara standen eingerahmt von Heiner und ihrer Mutter, die zu Ivys Verwunderung auf diesem Bild wie das eigentliche Ehepaar aussahen. Heiner hatte einen Arm um ihre Mutter gelegt. Seine freie Hand ruhte auf Ivys Schulter.
    »Und wer ist

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