Ler-Trilogie 01 - Morgenrötes Krieger
wir zu me i nem Schiff, dorthin, wo es die Meteoriten aufsammelt. Ich werde zurückkommen und sie bestrafen – nichts wird mich aufhalten.“’
Liszendir trat näher und musterte Usteyin und den G e schichtensammler. Sie seufzte resignierend und sagte dann langsam, mit Traurigkeit in der Stimme: „Ich sehe jetzt, was sie ist und was sie kann. Ich selbst könnte dies niemals; kein Ler wäre in der Lage, dieses Ding zu b e nutzen. Es ist nichts Mystisches, kein Okkultismus. Sie hat in diesem Flechtwerk eine Art Feedback-Schleife. Der menschliche Geist ist so gestaltet, daß er ihn benu t zen kann. Das Bewußtsein wird durch eine seltsame Art von symbolischen Bewegungsabläufen gesteigert.“
Han schaute Liszendir an, als ob sie plötzlich eine Fremde für ihn wäre – ein Wesen aus einer anderen Welt. „Was meinst du damit, Liszendir?“ Nie zuvor hatte er eine solche Traurigkeit in ihrem Gesicht gesehen.
„Verstehst du nicht? Dieses Ding da, plus Hände, A u gen, Geist und verschiedene Formen des Lichts.“ Usteyin nickte zustimmend. „Es ist nichts Elektronisches, nichts Magisches. Es ist strenggenommen nicht einmal mech a nisch. Es ist etwa so wie jenes Gerät, mit dem man rec h net, das primitive Leute benutzen: Kügelchen auf Metal l schienen, ein Abakus. Dies Ding hier geht über die Za h len hinaus. Es symbolisiert ganze Realitäten. Es ist eine Art Makro-Bildschirm und Computer in einem. Verstehst du noch immer nicht, wen du da gewonnen und in Liebe an dich gebunden hast? Nichts kannst du vor ihr verbe r gen – weder in Raum noch in Zeit.“
Usteyin legte den Geschichtensammler beiseite, löste sich von Han und trat auf Liszendir zu. Tief schaute sie in ihre Augen. „Du verstehst – dann weißt du auch, daß ich das gesehen habe, was ihr beide, mein Han und du, in der Davor-Zeit zusammen gemacht habt.“ Liszendir zuckte zurück, aber Usteyin zeigte keinen Ärger. Sie le g te den Arm um sie und sagte mit wohlwollender Stimme: „Aber du hast ein gutes Wesen, bist ohne Arg und Schuld. Du glaubst, daß dein Leben nicht leidenschaf t lich genug war, daß du noch nicht die große Liebe g e funden hast. Ja, ich habe es gesehen. Alles, was längst zurückliegt, dich und auch Han. Ich weiß es. Wir tun das nicht oft. Es ist nicht gut, sein eigenes Leben zu betrac h ten. Aber ich mußte es wissen.“
Liszendir fragte mit zaghafter Stimme: „Hast du dies alles vorausgesehen?“
„Nein. Wie hätte ich es wissen können? Wir schauen nicht in unsere Zukunft – weil wir es nicht wissen wo l len. Es ist die einzige Geschichte, die wir real haben. Man muß die Anfänge kennen. Aber dann kam er, kaufte mich, machte mich zu seinem Eigentum. Es war so sel t sam und fremdartig, daß ich schauen und wissen mußte. Ich habe es lange Zeit nicht gewagt. Aber gestern tat ich es. Dein Leben ist von meinem so verschieden. Für mich ist keiner von uns das eigentliche Volk; wir alle sind nur armselige Kreaturen, die das vollziehen, was vorb e stimmt ist, die in dem Strom mitschwimmen; du aber, du hast etwas Endgültiges. Ich sehe, daß ich mich geirrt h a be – ebenso wie du. Alle Lebewesen verschränken sich ineinander – es gibt nichts Endgültiges. Wir alle stehen miteinander in Beziehung. Du hast viele Liebhaber g e habt, viele Formen kennengelernt, dein Körper ist für dich wie ein wertvolles Instrument. Du wirst dich mit zwei weiteren verbinden, in einem seltsamen Ritual, das ich nicht verstehe. Ich aber habe nur einen. Ich werde ein fremdartiges Leben führen – ich verstehe es jetzt weniger als das deinige –, aber es wird reicher sein, als es sich die Zlats je vorzustellen vermochten. Vielleicht nicht so phantasiereich, aber schöner. Es ist viel Friede dort, ich werde hineinsinken und glauben zu fliegen. Du wirst dich nicht ändern – aber ich. All das steht fest, felsenfest, wie die alten Geschichten der Zlats. Aber du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Liszendir Srith-Karen, Abkömmling vieler-vieler Karen-Generationen. Du hast ihn für mich bereitgemacht – das ist ein Geschenk, für das ich auf immer in deiner Schuld stehe.“
12.
Alle Religionen wurzeln in diskreditierten Wissenscha f ten.
Holden Czepelewski, Tagebücher
Die Wahrheit tritt uns in den Mythen entgegen, Fakten gehören ins Reich der bloßen Meinung. Je mehr Fakten aneinandergereiht werden, um so irriger und ungesiche r ter wird der Tatbestand. Auf der Ebene der reinen Fakten gibt es nur noch das Chaos. Ja,
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