Ler-Trilogie 01 - Morgenrötes Krieger
war, diskutierte nun in aller Seelenruhe das Problem des Raum-Zeit-Kontinuums und verwarf es in der Sprache einer Ach t jährigen.
„Ich bin anderer Meinung und werde diese auch nicht ändern“, sagte Liszendir. „Sie meint, daß die Kausalität eine Illusion der Zeit sei, die freie Wahl eine Illusion der Unwissenheit und die Zeit selber eine Illusion der … äh … Ausdehnung ist vielleicht das beste Wort.“
„Ja, ja, du verstehst!“ rief sie aus. „Genauso ist es. Sie bewegt sich nicht. Mir fehlen die Worte. Wir bewegen uns hier drinnen, in unserem Geiste.“
„Von mir aus könnt ihr dieser Zukunftsdeuterin und Hellseherin soviel glauben wie ihr wollt“, spottete Hatha. „Ich jedenfalls habe sie immer gescheucht, sobald sie sich im Lager herumgedrückt haben. Alles Blödsinn! Sie ist ein Klesh. Sie weiß nichts.“
Das Mädchen drehte sich zu ihm um und fuhr ihn mit einer Stimme voller Gift und Galle an: „Nur weil ich j e nes weiß, das du in deinem Stumpfsinn als ein Nichts bezeichnest, weil ich dies hier benutzen kann und all de i ne Ränke und Pläne durchschaue! Ein höheres Volk, das sich Haustiere hält. Wie töricht! Deine Haustiere stehen höher als du, Haustierhalter! Und das, was du zu wissen glaubst, ist ein Nichts, bloßer Plunder, Bruchstücke, Scherben eines Glases, das nie ein Ganzes ist, mit dem du niemals Wasser schöpfen kannst. Es hat nichts mit Magie zu tun, nichts mit Hellseherei oder Prophetic Es ist nur ein Mittel, das mir hilft zu sehen … das, was ist; das, was war, und das, was sein wird. Willst du wissen, was ich noch gesehen habe? Daß du den Sonnenaufgang über Morgenröte nicht mehr erleben wirst – das war’s, was ich gesehen habe.“
Hatha wich zurück, ganz im Gegensatz zu dem, was er gerade gesagt hatte. „Bleibe mir vom Leib, Zlat-Hexe!“
„Ich tue dir nichts! Du wirst es selber tun!“ Sie war ärgerlich und trotz ihrer geringen Körpergröße und dem offensichtlichen Mangel an irgendeiner Waffe plötzlich zu einer gefährlichen Gestalt geworden, zu etwas, das sich jedweder Kontrolle zu entziehen schien. Han berüh r te die weiche, mädchenhafte Haut ihrer Schulter; unter dem Druck seiner vertrauten Hand beruhigte sie sich.
„Warte“, sagte er. „Verschwende es nicht an ihn. Laß ihn seiner Wege gehen. Wenn du den Geschichtensam m ler unbedingt noch einmal benutzen willst, dann dafür, um mir noch eine weitere Geschichte zu erzählen. Auch er wird sie sehen wollen.“
Sie drehte sich um und fragte ruhig: „Was ist es?“
„Das helle Ding, der Stern. Erzähle mir seine G e schichte und wo wir darin vorkommen. Ich will dir die Anfange zeigen.“
„Nicht noch einmal. Ich kann ihn nach alledem nicht noch einmal benutzen. Ich habe ihn heute schon zu oft benutzt. Er macht mir Angst. Laß mich erzählen, wie er benutzt wird. Nun, wenn man eine Geschichte über einen bestimmten Ort, eine bestimmte Person, zu einer b e stimmten Zeit machen will, so braucht man viele Anfä n ge, viele Bewegungsänderungen, viele Stellungen, bevor er antwortet. Je spezieller es ist, um so mehr muß ich eingeben, um so weniger gibt er mir zurück. Um ein Sandkorn fallen sehen zu können, auf einer bestimmten Stelle, zu einer bestimmten Zeit, würde ich Jahre bra u chen, vielleicht mehr. Und wer wollte es schon sehen? Andererseits, wenn ich fragen wollte: ‚Was ist der Sinn des Lebens?’, so gibt es keine Anfänge. Ich brauche ihn nur zu spannen und hineinzuschauen. Viele Anf ä nge – kurze Geschichte; wenig Anfänge – lange Geschichte. Die letztgenannte ist die längste von allen; sie endet nie, sie dauert ewig. Und da es keine Zeit gibt, bist du dort gefangen, wo dir auch keine Illusion mehr hilft. Deshalb stellen wir diese Frage nie. Ihre Antwort nimmt dich für immer gefangen. Dein Geist ist verloren. Du kannst nicht mehr zurück – und niemand kann dich dort herausholen.“
„Wieder einmal diese irrationalen Größen“, fügte Li s zendir hinzu. „Die Realitäten, die dieses Gerät symbol i siert, sind allesamt irrationale Größen – einmalig, unwi e derholbar. Aber in ihrem System hat sie einen Weg g e funden, an beliebigen Punkten abzubrechen, abgesehen von einigen speziellen Fragen. Ohne diesen Abbruch müßtest du den Gedanken zu Ende denken, da er endlos ist. Ich verstehe, warum es tödlich sein kann. Klar, daß ich ihn niemals benutzen kann, noch daran denken wü r de, es je zu versuchen.“
Usteyin nickte zustimmend und wandte sich erwa r tungsvoll
Weitere Kostenlose Bücher