Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
Mädchen hat etwas zu verbergen und will nicht reden: Holt es aus ihr heraus, und wir werden weiter sehen.
Es erschreckte sie, wie nahe sie an die Wahrheit herangekommen waren, ihr Wissen um die Grundbedürfnisse hinsichtlich des Kontaktes zu anderen sowohl bei den Ler als auch bei den Menschen (schließlich waren sie nicht allzu verschieden voneinander) erschütterte sie bis ins Mark, und ihre physische Präsenz überwältigte sie. In ihren Augen waren die Menschen, ganz gleich wie oft sie welche gesehen hatte, grobe, eckige, behaarte Wesen, deren Launen bestenfalls ungewiß waren. Sie selbst hatte fast ihre volle Körpergröße erreicht, aber sie waren alle größer als sie, hochgewachsener, schwerer. Sie bildete sich ein, daß die größeren fast dreißig Pfund wiegen müßten. Sie waren wilde, primitive Geschöpfe, die ihres Erachtens noch nicht gezähmt waren, obwohl der logische, nüchtern denkende Teil ihres Verstandes ganz gut wußte, daß die meisten von ihnen sich selbst eher für verbraucht und überzivilisiert hielten. Und jetzt war sie mitten unter ihnen, vollkommen in ihrer Gewalt, getrennt von ihrer eigenen komplizierten und sorgfältig gegliederten Umwelt. Einen Schritt näher an der alten und unversöhnlichen Wüste, am ursprünglichen Chaos, an der vor langer Zeit verlassenen Welt des Zahns und der Kralle, der Sehne und der Kraft.
Hier in der Stadt war der Zahn verborgen, und die Kralle war eingezogen, aber weder war eines von beiden entfernt worden noch der Wille, der sie angetrieben hatte. Daher waren sie schließlich ihrer und des kleinen Spieles überdrüssig geworden und hatten höflich, höflich waren sie ja immer, vorgeschlagen, daß sie sich ein wenig im Kasten ausruhen, daß sie sich erfrischen sollte. Der Kasten! Alles, was sie in ihrer Welt taten, drehte sich um einen Kasten, wie sie das mit einem gängigen Modewort nannten. Der Kasten war ein Simulator. Ein Versuchsgerät mit durch Steuerung veränderbarer Umgebung. Manche waren grob und einfach. Andere wieder waren so furchtbar kompliziert, daß sie absolut in der Lage waren, das zu dementieren, was einem die Sinne ganz klar sagten. Hatte man also einen Beruf zu erlernen? Ab in den Kasten! Schlechte Gewohnheiten und unsoziale Eigenschaften? Ab in den Kasten. Kriminelle? Eliminiere sie, oder steck sie in den Kasten. Und desgleichen bei komischen Verdachtspersonen, die offensichtlich etwas zu verbergen suchten, die sich tagelang weigerten, auch nur die simpelsten Fragen zu beantworten. Ab in den Kasten. Verhalten ließ sich durch die klassische Methodologie des Kults der Verhaltensforschung, so orthodox wie der Tagesanbruch, ändern. Sie fragten nie nach dem Zweck, und warum hätten sie dies auch tun sollen, wo sie doch ein Mittel besaßen, das so gut und so zuverlässig funktionierte? Ab in den Kasten. Durch ihre Simulatorenalchimie konnten sie einen Misanthropen in einen Philanthropen verwandeln, einen Künstler in einen Handlungsreisenden mit Prämiengewinnen, einen Satyr oder eine Nymphomanin in einen unverheirateten Philosophen und ein autistisches Kind in einen Gesundbeter. Die, die nie hatten mithalten können, wurden in wahre Muster an Leistungsfähigkeit verwandelt. Und für die, die weiterschwiegen, gab es das Mittel der totalen Isolierung.
Sie schossen von hinten einen Pfeil auf sie ab; das allein erfüllte sie schon mit einem Gefühl des Bösen: Sie benutzten eine Waffe, die die Hand verließ! Der Pfeil enthielt eine Droge, die sie lähmte, aber ihr nicht das Bewußtsein nahm. Sie spürte den Stachel einer Biene im Nacken. Dann nichts mehr. Sie konnte sich weder bewegen noch etwas fühlen. Dieser Teil ihres Gedächtnisses war klar und deutlich. Dann hatten sie sie auf einen kleinen fahrbaren Wagen gelegt und sie durch einen Flur in einen anderen Raum gerollt, einen größeren, obwohl sie wenig an Einzelheiten erkennen konnte. Ihre Augen konnten nur starr geradeaus sehen. Sie hatte sich zwar, genau wie die anderen ihrer Zunft, in der peripheren Vision geübt, aber vor dem matten Hintergrund konnte sie selbst dadurch wenig erkennen. Die Meßinstrumente, Zifferblätter, Geräte und Schalttafeln fühlte sie mehr, als daß sie sie sah. Der Raum hatte einen anderen Geruch, einen, der auf Maschinen, Elektrizität, nicht auf Menschen hindeutete. Dann hatten sie sie ausgezogen und sich ihren Körper angesehen, der ihnen, nach ihren Äußerungen zu urteilen, sexuell unterentwickelt zu sein schien; glatt und zart gebaut, unbehaart
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