Lesebuch für Katzenfreunde
gekommen, aber es war verrückt – das reinste Irrenhaus.« Er wischte sich die Stirn.
»Was ist passiert?« Harry fand, daß er kränklich aussah. »Kann ich was für dich tun?«
Er winkte ab, dann lehnte er sich an den Schalter, um sich abzustützen. »Diana Farrell hat mich angerufen. Kelly Craycroft – zumindest glauben sie, daß es Kelly Craycroft ist – wurde heute morgen gegen zehn Uhr tot aufgefunden.«
Tucker sprang auf. »Siehst du, Mrs. Murphy? Ich hab gleich gesagt, sie wußte was Wichtiges.«
Mrs. Murphy erkannte ihren Fehler, aber jetzt war es nicht mehr zu ändern.
»Mein Gott, wie…« Harry war wie betäubt. Sie dachte an einen Herzanfall. Kelly war in diesem gefährlichen Mannesalter.
»Keine Ahnung. Die Leiche ist vollkommen zerfleischt. Man hat ihn in einem von den großen Betonmischern gefunden. Er ist nicht mal mehr in einem Stück. Diana sagt, falls man ihm in den Kopf oder ein anderes Körperteil geschossen hätte, könnte man das nie mehr erfahren. Der Sheriff hat die Mischmaschine beschlagnahmen lassen. Schätze, sie suchen da drin nach Blei. Weißt du, Kelly ist immer oben auf den Mischer geklettert, um ihn den Leuten zu zeigen.«
»Mord – du redest von Mord.« Harrys Augen wurden weit.
»Verflixt noch mal, Harry, ein großer starker Mann wie Kelly fällt nicht einfach in einen Betonmischer. Jemand hat ihn reingeworfen.«
»Vielleicht ist er’s nicht. Vielleicht war es ein Betrunkener oder…«
»Er ist es. Der Ferrari war direkt an der Stelle geparkt. Kelly ist nicht im Büro erschienen. Da sein Wagen dastand, nahmen alle an, daß er irgendwo auf dem Gelände war. Genau wußten sie es nicht, bis ein Mann den Mischer in Bewegung setzte und es sich komisch anhörte.«
Harry schauderte bei dem Gedanken, was der arme Kerl erblickt hatte, als er in die Mischmaschine sah.
»Er war kein Heiliger, aber wer ist das schon? Er kann unmöglich andere so erzürnt haben, daß sie ihn umbrachten.«
»Einer würde reichen.« Market atmete tief. Die Neuigkeit selbst gefiel ihm nicht, aber es war schon etwas Besonderes, der Überbringer solcher Nachrichten zu sein, und Market war nicht gefeit gegen diese seltenen Augenblicke der Privilegiertheit. »Ich dachte, du solltest es wissen.«
Als er sich zum Gehen wandte, rief Harry: »Deine Post.«
»Ach ja.« Market angelte die Post aus seinem Fach und ging.
Harry setzte sich auf den Schemel hinter dem Schalter. Sie mußte ihre Gedanken ordnen. Dann ging sie zum Telefon und rief die Veterinärpraxis an. Fair war nicht da, und sie ließ ihm ausrichten, daß er sie sofort anrufen solle. Danach wählte sie Susans Nummer.
»Dudel, dudel, dudel«, meldete sich Susan am Telefon. Sie fand es langweilig, immer »hallo« zu sagen.
»Susan!«
Susan merkte am Klang von Harrys Stimme, daß etwas nicht stimmte. »Was ist passiert?«
»Man hat Kelly Craycrofts Leiche in einem Betonmischer gefunden. Market hat’s mir gerade erzählt, und er sagt, es war Mord.«
»Mord?«
Akif Pirinçci
Francis und Gustav ziehen um
Wenn Sie meine Geschichte tatsächlich hören wollen – und ich empfehle Ihnen eindringlich, sie zu hören –, so müssen Sie sich zunächst mit dem Gedanken vertraut machen, daß Sie keine angenehme Geschichte hören werden. Im Gegenteil, die mysteriösen Geschehnisse, durch die ich mich im vorigen Herbst und Winter hindurchquälen mußte, ließen mir endgültig bewußt werden, daß Harmonie und ein geruhsames Leben selbst für meinesgleichen eine Angelegenheit von kurzer Dauer sind. Heute weiß ich, daß vor dem allgegenwärtigen Horror niemand verschont bleibt und daß das Chaos jeden Augenblick über uns alle hereinbrechen kann. Doch bevor ich Gefahr laufe, einen langweiligen Vortrag über die finsteren Abgründe unseres Daseins zu halten, erzähle ich sie besser, die Geschichte – eine traurige und eine böse Geschichte.
Alles begann mit dem Einzug in dieses verdammte Haus!
Das, was ich im Leben am meisten hasse, und, da ich der Reinkarnationstheorie in meinen philosophischen Stunden zu glauben geneigt bin, auch in meinen früheren Leben gehaßt haben muß, sind Umzüge und alles, was damit zusammenhängt. Schon die geringste Unregelmäßigkeit in meinem Alltag läßt mich in einen tiefen Brunnen voller Depressionen stürzen, aus dem ich nur mit viel Selbstüberwindung herauszuklettern vermag. Aber mein einfältiger Lebensgefährte Gustav und seinesgleichen würden am liebsten jede Woche das traute Heim wechseln. Sie machen
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