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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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behaupten kann, daß sie auch unter meinesgleichen ein Unikum an Scharfsinnigkeit darstellen, war es außergewöhnlich mühsam, diese beinahe nicht wahrnehmbaren Gerüche zu analysieren. So sehr ich auch die Nase befeuchtete, ich vermochte diese sonderbaren Moleküle nicht zu identifizieren. Daraufhin zog ich das gute alte J-Organ zu Rate und flehmte so intensiv wie möglich.
    Dies brachte den gewünschten Erfolg. Jetzt entdeckte ich, daß sich unter dem Fäulnisgeruch unseres neuen Domizils ein weiterer eigentümlicher Geruch verbarg. Dieser hatte jedoch keinen natürlichen Ursprung, und ich brauchte eine Weile, um ihn einzuordnen. Dann fiel endlich der Groschen: Es war ein Geruchspotpourri aus verschiedenen Chemikalien.
    Zwar hatte ich immer noch keinen blassen Schimmer, welchen spezifischen Gestank dieses Spukschlößchen nun konkret ausstieß, doch zumindest war die Verbindung zu synthetischen Substanzen hergestellt. Jeder kennt den Geruch, der in einem Krankenhaus oder in einer Apotheke vorherrscht. Und genau den hatte jetzt mein Superrotzkolben unter dem widerwärtigen Schimmeldunst dieser Hausleiche ausgegraben, als ich, noch nichts von den Schrecken ahnend, die da auf mich zukommen sollten, neben meinem freudestrahlenden Freund auf dem Bürgersteig stand.
    Gustav kramte umständlich in seiner Hosentasche, bis er schließlich einen abgewetzten Metallring hervorzauberte, an dem zahlreiche Schlüssel hingen. Er schob den wurstigen Zeigefinger durch den Ring, hob so die klimpernden Schlüssel etwas in die Höhe und beugte sich zu mir herab. Mit der anderen Hand tätschelte er meinen Kopf und begann, frohlockende Gluckser von sich zu geben. Ich nehme an, er versuchte eine jener vielversprechenden Reden, welche ein Bräutigam seiner Braut zu halten pflegt, bevor er sie über die Türschwelle trägt, wobei er ständig mit den Schlüsseln in seiner Hand klimperte und auf die untere Etage deutete, um mir den Zusammenhang zwischen Schlüssel und Wohnung klarzumachen. Liebenswerter Gustav, er hatte den Charme von Oliver Hardy und das pädagogische Talent eines Hufschmieds!
    Als hätte er meine Gedanken erraten, huschte ein lieblich wissendes Lächeln über das Gesicht meines Freundes. Bevor er sich jedoch entschließen konnte, mich tatsächlich über die Türschwelle zu tragen, schoß ich zwischen seinen Fingern davon zu der niedrigen Haustürtreppe. Während ich die brüchigen, mit vergilbtem Herbstlaub übersäten Stufen hinauftapste, fiel mein Blick auf ein helles Rechteck auf der Backsteinmauer neben dem Türpfosten. An seinen Ecken waren Schrauben in die Mauer hineingetrieben, die längst verrostet waren. Die Köpfe der Schrauben waren abgeschlagen. Es sah aus, als sei hier in Windeseile ein Schild gewaltsam entfernt worden. Ich nahm an, daß sich in dem Haus früher eine Arztpraxis oder ein Labor befunden hatte, was auch die unterschwelligen Chemikaliengerüche erklären würde.
    Dann wurde ich in meinem genialen Gedankenfluß jäh unterbrochen. Denn wie ich so vor meiner zukünftigen Haustür da stand, den Blick auf das abwesende Praxisschild von Doktor Frankenstein gerichtet, stieg mir ein anderer, allerdings wohlvertrauter Gestank in die Nase. In Unkenntnis über die Territorialverhältnisse in diesem Distrikt hatte ein Artgenosse ganz frech seine recht aufdringliche Visitenkarte am Türpfosten hinterlassen. Da nun aber mit meinem Einzug die Eigentumsverhältnisse geklärt waren, ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, den Türpfosten neu zu signieren. Ich drehte mich um hundertachtzig Grad, konzentrierte mich so intensiv wie möglich und legte los.
    Der umweltfreundliche Allzweckstrahl schoß zwischen meinen Hinterbeinen hervor und überflutete den Abschnitt, wo mein Vorgänger sein Memorandum hinterlegt hatte. Jetzt war die Welt wieder in Ordnung – zumindest war die Ordnung geklärt.
    Gustav lächelte hinter meinem Rücken dümmlich, so wie ein Vater dümmlich lächelt, wenn sein Baby zum ersten Mal in seinem Leben den Ausspruch »Bu-bu« tut. Ich hatte Verständnis für seine kleinen Freuden, denn Gustav schien mir bisweilen selbst ein niedlicher Bu-bu zu sein. Seine einfältige Lache zu einem Jubelgrunzen kultivierend, watschelte er sodann an mir vorbei und schloß mit einem alten, verrosteten Schlüssel die Tür auf, die sich nach einigem Rütteln öffnen ließ.
    Gemeinsam gelangten wir über einen kühlen Flur vor unsere Wohnungstür, die bei mir spontan die Assoziation eines Sargdeckels aufkommen

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