Lesebuch für Katzenfreunde
gelobt hat, mich zu lieben, zu achten und die Bestie in mir zu zähmen.
»Ich glaube nicht, daß er das Kaninchen wirklich fressen wollte«, meint sie. »Meiner Ansicht nach hat er nur seinen Jagdtrieb ausgelebt und seine Beute nach Hause gebracht, um sie uns zu zeigen.«
»Vielleicht wollte er uns aber auch auf seine Art zeigen, daß er von Makkaroni mit Käse genug hat.«
»Na ja, wir sollten am besten doch etwas dagegen unternehmen«, überlegt sie.
»Was schlägst du vor?«
»Wir lassen ihm die Krallen stutzen. Und wenn wir schon dabei sind, könnten wir ihn eigentlich auch gleich kastrieren lassen.«
Ich willige ein, obwohl das Strafmaß recht drakonisch anmutet für eine Lappalie wie das Fangen eines kleinen Kaninchens.
Es kostet uns einen Hunderter, den Kater nach unseren Wünschen umgemodelt zu bekommen. Drei Tage später werde ich im Büro angerufen.
»Was glaubst du wohl, was in der Garage auf dem Boden ist?« will sie wissen.
»Eine Ölpfütze?«
»Falsch. Eine Maus. Mausetot. Und was meinst du, wie sie gestorben ist?«
»Vielleicht am Herzschlag. Trug sie einen Jogginganzug?«
»Sehr komisch. Der Kater hat sie getötet.«
»Und weshalb rufst du mich im Büro an?«
»Ich dachte nur, du solltest Bescheid wissen.«
Ich danke ihr für die Störung während der Arbeitszeit, nur um mir mitzuteilen, daß auf dem Garagenboden eine tote Maus liegt, und hänge ein.
Wir müssen erkennen, daß unser Kater selbst mit gestutzten Krallen als Killermaschine vermutlich einsame Spitze ist. Ich weiß zwar nicht genau, wer sein Vater war, würde mich aber gar nicht wundern, wenn er bei einem Mördersyndikat als Maskottchen gedient hätte. In den folgenden Monaten gibt es keine einzige Vogel-, Mäuse- oder Kaninchenfamilie in der Nachbarschaft, die nicht den Verlust eines Angehörigen zu beklagen hat.
Das Tollste erleben wir, als wir abends von einer Verabredung zurückkehren und auf dem Wohnzimmerteppich etwas Graues, Regloses liegen sehen.
»Meine Güte«, schreit sie und läßt ihre Handtasche fallen, »eine große Maus!«
»Oder ein kleines Känguruh.«
»Tot?« erkundigt sie sich.
»Woher soll ich das wissen?«
»Dann geh hin und sieh nach.«
Die Maus ist in der Tat außergewöhnlich tot. Ein weiteres Opfer unseres Killerkaters.
»Nun reicht’s«, erklärt sie und greift zum Telefon.
»Zeig ihn nicht an«, flehe ich. »Gib ihm noch eine Chance. Er stammt aus einer zerrütteten Familie. Das war nur eine vorübergehende geistige Umnachtung. Laß es ihn mit Schocktherapie und Bewährungsfrist versuchen. Ich weiß, er wird es nie wieder tun, wenn nur…«
»Mach dich doch nicht lächerlich«, erwidert sie. »Ich rufe ja gar nicht die Polizei an. Ich telefoniere mit der Tierhandlung, um ein Halsband mit Glöckchen für ihn zu bestellen.«
Danach trägt unser Kater ein mit kleinen Glöckchen besetztes Halsband, und sobald er seine Beute anzuschleichen versucht, hebt das warnende Bimmeln an, noch ehe er nahe genug zum Sprung ist. Für sämtliche Kleintiere in der Nachbarschaft eine wahre Wohltat, für unseren Killerkater dagegen eher frustrierend. Er verbringt immer mehr Zeit damit, apathisch im Haus herumzuhocken.
Was ich ihm nicht verübeln kann.
Mit Glöckchen behängt, die Krallen gestutzt und kastriert – was hat es nach solchen Schicksalsschlägen noch für einen Sinn, ins Freie zu gehen?
Mit Springfields Karriere als Al-Capone-Verschnitt ist es zwar zu Ende, aber als echte Nervensäge kann er sich trotzdem noch ein Wirkungsfeld bewahren. Auch drei Zimmer weit weg lernt er zu unterscheiden, ob die Dose am elektrischen Büchsenöffner Thunfisch oder Gemüsesuppe enthält. Für ihn steht keine Schachtel zu hoch, um den Inhalt auszukippen. Er lernt, abends vor der Haustür zu stehen und so lange zu quäken, bis sie aufgemacht wird. Was bedeuten kann, daß er nach draußen möchte – oder auch nicht. Manchmal bedeutet es lediglich, daß er unbedingt sehen will, wie irgend jemand die Tür öffnet.
Ein lästiges kleines Geschöpf. Doch es gibt Zeiten, da haben wir es mit einem schizoiden Kater zu tun, einem echten Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
Denn es ist derselbe Kater, der mich morgens liebevoll begrüßt, der auf den Küchentisch springt, einen Buckel macht, die Augen zu Schlitzen zusammenkneift und darauf beharrt, daß ich ihn hochhebe. Der sich an meine Schulter klammert, während ich mir Orangensaft eingieße und Tee aufbrühe. Der mit mir auf dem Stuhl sitzt, den weichen kleinen
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