Die drei Im Schatten des Giganten drei Fragezeichen
Z wischen Himmel und Erde
»Das schafft der doch nie!« Bob Andrews hob eine Hand, um seine Augen zu beschirmen. Er starrte an dem Felsmassiv hinauf, das senkrecht vor ihm in den Himmel ragte. Ein Mann hing mehrere hundert Meter über dem Boden an einem Seil. Dass etwas nicht stimmte, konnte man auf den ersten Blick erkennen: Das linke Bein des Mannes war unnatürlich verdreht, ein Arm ruderte hilflos in der Luft. Bei jeder Bewegung des Seils lösten sich Steine aus der Felswand und prasselten herab. Immer wieder rief der Mann etwas, doch die Worte kamen nur verzerrt im Tal an: »Hilf … so … helft …«
Schließlich gingen die Rufe komplett im Dröhnen und Knattern des Rettungshubschraubers unter. Wie ein rot-weißes Insekt schwebte er über dem Berg. Ein Helfer stieg mitten im Flug aus und ließ sich an einem Seil aus der Pilotenkanzel herab. Als seine Füße den flachen Berggipfel berührten, klinkte er sich aus. Ein zweiter Helfer folgte. Dann an einem Gurt eine Trage. Sie schwang in der Luft hin und her.
Bob massierte sich den Nacken, der vom langen Hinaufstarren bereits wehtat. »Wie wollen die den Bergsteiger denn da reinbekommen? Der kann doch niemals allein in die Trage klettern. Dazu hat er sich viel zu sehr in seinem Seil verheddert.«
Eine erneute Kaskade aus losem Geröll prasselte an der Steilwand hinab.
»Das war knapp!«, sagte Peter Shaw unbehaglich. Er stand zusammen mit Justus Jonas neben Bob. »Sehr knapp!«
»Keine Sorge, Jeanne und ihr Team werden ihn retten. Die machen so etwas jeden Tag.« Bobs Vater gesellte sich zu den Jungen. Obwohl Mr Andrews sich offensichtlich Mühe gab,zuversichtlich zu klingen, schwangen Zweifel in seiner Stimme mit. Er hatte seine Fotoausrüstung dabei und schraubte gerade ein Teleobjektiv auf die Kamera. Als Journalist für eine große Tageszeitung in Los Angeles konnte er das Fotografieren normalerweise einem Profi überlassen. Dennoch hatte Mr Andrews meistens eine Ausrüstung mit verschiedenen Objektiven und einem Stativ dabei. Für den Fall, dass er unvermutet auf eine spannende Geschichte stieß. So wie jetzt.
»Siehst du was?«, fragte Bob seinen Vater.
Mr Andrews spähte durch die Linse. Seine rechte Hand drehte am Objektiv. »Moment.«
»Und?« Peter trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. »Können Sie überhaupt etwas erkennen?«
»Bei 500 Millimeter Brennweite bestimmt«, stellte Bob fest.
»Er hat eine Wunde am Kopf«, berichtete Mr Andrews. »Und sein Bein ist definitiv gebrochen.«
»Und sonst?«
»Sieht aus, als würde er aus seinem Sicherheitsgurt rutschen.«
»Kann das denn passieren?« Bob unterdrückte den Wunsch, seinem Vater den Fotoapparat abzunehmen und selbst durch die Linse zu spähen.
»Hoffentlich nicht!« Mr Andrews drehte erneut an dem Objektiv. Dann schoss er ein paar Fotos.
»Mit dem Hubschrauber können die unmöglich noch dichter an die Steilwand heranfliegen.« Justus, der ungewöhnlich lange geschwiegen hatte, verfolgte die Rettungsaktion mit ernstem Blick. »Die Rotorblätter könnten an Felsvorsprünge stoßen und dann würde der Helikopter abstürzen.«
»Jeanne weiß schon, was sie macht!« Mr Andrews schoss ein weiteres Foto. Inzwischen kletterte einer der Helfer an einem Seil über die Felskante. Meter für Meter ließ er sich zu dem verzweifelten Bergsteiger hinab.
»Die Leute von YOSAR und Helitack machen ihre Arbeit wirklich gut«, bemerkte Justus.
»Wer?« Peter zwang sich, seine Aufmerksamkeit von dem Bergsteiger zu lösen. Der Rettungshelfer hatte den Mann noch immer nicht erreicht. Und jetzt löste sich auch schon die nächste Steinlawine. Ein großer Brocken verfehlte den Bergsteiger nur um Haaresbreite. Er konnte jeden Moment abstürzen. Und das wollte der Zweite Detektiv nicht mit ansehen. Erstaunt bemerkte er, wie schwer es war, sich wegzudrehen. So, als würde die Katastrophe, die sich über ihnen abspielte, den Blick magnetisch anziehen.
»Die YOSARs und die Helitacks«, wiederholte Justus. »Das hat uns Bobs Vater heute Morgen doch schon alles erklärt.«
»Da war ich noch zu müde von der langen Autofahrt«, entgegnete Peter.
Die drei ??? und Mr Andrews waren in der Nacht in San Francisco gestartet und mit dem Auto bis zum Yosemite National Park gefahren. Mr Andrews war zu einer Pressekonferenz in der Nähe eingeladen worden und wollte seinen Aufenthalt im Nationalpark mit einem Kurzurlaub verbinden. Außerdem überlegte er, eine Reportage über die Rettungseinsätze im
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