Lesereise Malediven
Schwung und Idealismus. Für Groll über die Vergangenheit hatte er keine Zeit. Gayoom lebt heute unbehelligt auf Mal é , wo sein Sohn an seiner eigenen politischen Karriere arbeitet – mit dem Ziel, womöglich schon im Wahljahr 2013 Nasheed abzulösen.
Der reibungslose und friedfertige Übergang bescherte Nasheed indessen den ersten von zahlreichen staatstragenden Beinamen: Zum »Mandela der Malediven« wurde er in Anlehnung an seine Politik des Vergebens gekürt, bevor ihm seine ersten Amtshandlungen weltweite Aufmerksamkeit und den Titel eines »Obama des Klimaschutzes« einbrachten – schließlich hatte bereits sein Wahlkampfmotto »Change« an den Stil des amerikanischen Kollegen erinnert. Überboten wurde dieser Beiname noch vom Ehrenabzeichen eines »Dalai Lama des Umweltschutzes«. Der junge Präsident bewies nicht allein durch seine Geschichte als verfolgter Oppositioneller Charakter. Seine Auftritte zeugen von einer charismatischen Persönlichkeit und einem sicheren Instinkt in Sachen Öffentlichkeitsarbeit.
Als er im Oktober 2009 sein Kabinett unter Wasser um sich versammelte, war ihm ein beispielloser Coup gelungen. Die Politiker saßen in Taucheranzügen an einem Tisch und kommunizierten per Handzeichen miteinander und mit dem Rest der Welt. Der schickten sie ein SOS -Signal von den Malediven. Dass die Inseln im Indischen Ozean in Folge der Erderwärmung und einer Erhöhung des Meeresspiegels buchstäblich untergehen könnten, wusste von nun an von den Azoren bis zu den Aleuten jedes Kind. Und wer den Ernst der Lage noch immer nicht erfasste, dem erklärte Präsident Nasheed beim Klimagipfel der Vereinten Nationen zwei Monate später in Kopenhagen noch einmal ganz genau, was es heißt, die Folgen des Klimawandels für die Industrieländer auszubaden. Und das als eine Nation, die traditionell im Einklang mit der Natur lebte, anstatt sie zu belasten.
Nasheeds Ziel, die Malediven zum ersten CO 2 -neutralen Land der Erde zu machen, dürfte dennoch Probleme bereiten. Weder kann noch will er es sich leisten, auf den Tourismus zu verzichten. Im Gegenteil soll die Kapazität an Hotelbetten in den nächsten Jahren deutlich gesteigert werden. Und die Urlauber reisen nun mal mit Flugzeugen an, die jede Menge Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre blasen. Einziger Ausweg wäre, die Gäste »klimaneutral« einfliegen zu lassen: indem sie einer einschlägigen Organisation einen Geldbetrag spenden, den diese dazu nutzt, die abgegebenen Emissionen in einem Klimaschutzprojekt einzusparen. Der Tourist leistet dabei quasi eine ökologische Ablasszahlung. Sie würde es zumindest rein rechnerisch ermöglichen, dass das Land, das noch vor wenigen Jahrzehnten als vielleicht Letztes keinerlei fossile Brennstoffe verheizte, wieder auf eine neutrale Umweltbilanz käme. Das würde allerdings auch voraussetzen, dass die Malediver auf lieb gewordene Errungenschaften wie Klimaanlagen, Telefone, Computer und – in Mal é – auch auf Autos und Mopeds verzichten. So denkt es sich auch Nasheed: Den Verbrauch von Energie will er massiv senken und den unverzichtbaren Restbedarf durch erneuerbare Alternativen decken.
Die Trennung des Landes in eine Welt für Malediver und eine für Urlauber findet Nasheed ebenso wie seine neue Tourismusministerin Dr. Mariyam Zulfa weniger wichtig als der einstige Präsident. Zum einen könne man voneinander lernen, zum anderen sollen die Bewohner der dörflichen Inseln ruhig ein bisschen an den Gästen verdienen.
Womöglich weiß dieser junge Präsident auch einfach, dass Fortschritt sich nicht aufhalten lässt, dass er fast überall auf der Welt ein westliches Gewand trägt und Probleme im Gepäck hat, die man auf den Malediven ohnehin mittlerweile kennt. Dazu gehören Abfallberge genauso wie der Wunsch nach Wohlstand und kompliziert zu entsorgenden Konsumgütern. Allein durch die Tatsache, dass ein Kellner sich schneller einen Fernseher kaufen kann als ein Fischer, wird maledivische Lebenswege in eine westliche Richtung lenken. Die Urlauber werden sich derweil weiter in ihren Resorts von der Außenwelt abkoppeln. Nach der Devise: Handy aus, Fernseher aus, den Alltag vergessen. Wer weiß schon, wann die Welt untergeht – und ob überhaupt.
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