Lesereise Mallorca
spanischen Staat, der die Hoheit über den naturgeschützten Strand hat. Jetzt schimpft Esteban Sanchez wieder, springt auf, geht drei Schritte, setzt sich wieder, zupft sein rotes Hemd zurecht, öffnet es einen Knopf weiter. Sein ganzer Körper steht unter Spannung. Nichts hat er verschmerzt, nicht in den bloß zwei Jahren, seit all das geschehen ist. Esteban ist noch längst nicht fertig mit den Lokalpolitikern der Gemeinde Campos, auf deren Verwaltungsgebiet der Traumstrand liegt. Er hat seinen Frieden noch nicht gemacht, nicht schon jetzt, zwei Sommer nach dem Rausschmiss.
Onofre Bonet Gari erzählt da viel gelassener: »Jede dieser Bars wird jedes Jahr neu ausgeschrieben. Du kannst dich nie auf den Lorbeeren der Vorjahre ausruhen. Du weißt nie, was ein anderer bietet. Und du musst dein Gebot im verschlossenen Umschlag abgeben, wenn du für die Konzession mitbieten willst – ohne zu ahnen, was die anderen auf den Tisch legen.«
Das System hat die Preise hochgeschaukelt. »Und doch«, sagt Onofre, »ist es nicht das einzige Vergabekriterium. Das andere sind deine Referenzen. Hast du bereits Erfahrung mit Restaurants oder anderswo welche mit chiringuitos , den Strandbars, gesammelt? Bist du gut beleumundet? Das ist wichtig. Du kannst das niedrigere Gebot vorgelegt haben und wegen deiner Referenzen doch den Zuschlag bekommen.«
Wie viel Schieberei, wie viel Trickserei dabei hinter den Kulissen womöglich im Spiel ist, kann niemand durchschauen, der hier einen Cocktail trinkt und den Blick auf den Sand, das Meer und die Strandschönheiten genießt. Niemand, der nicht selber zu den Bietern gehört.
Esteban jedenfalls hat sich verzockt und nach vierunddreißig Jahren nicht mehr den Zuschlag bekommen. Er fiel aus allen Wolken und hätte nie geahnt, dass Onofre Bonet Gari aus Palma nun die Bar leiten würde, die mal sein ultimatives Paradies gewesen war, jetzt frisch in Weiß gestrichen ist und nun weit bescheidener als Chiringuito del Medio, rein beschreibend als »Bar in der Mitte«, firmiert – flankiert von den beiden anderen Bars im Sand, der einen nahe bei Ses Covetes, der anderen in Richtung Colonia de Sant Jordi am anderen Ende von Es Trenc.
Onofre lächelt derweil und hält sich bedeckt, was den Preis für die Konzession angeht. »Ich sage nur so viel: Wenn du hier tausend Euro Umsatz am Tag machst, stehst du schlecht da. Dann kommst du nicht aus. Und wenn es während der Saison eine Woche am Stück regnen sollte, siehst du ebenfalls alt aus. Hier zu sein ist sehr, sehr teuer. Hier musst du richtig Umsatz machen. Und wenn es gut läuft, kannst du gutes Geld verdienen. Aber es kann eben auch schief gehen.«
Diesen Morgen jedenfalls hat alles gut angefangen. Das zwölfköpfige Team aus Kellnern, Köchen, Barkeeper, Reinigungs- und Hilfskräften ist um kurz nach zehn vollzählig, und im dünenpistentauglichen Geländewagen haben sie bereits die Kisten mit frischem Gemüse, mit Kühlwaren, mit Obst für die sangria , mit Wein und Bier und allem, was in gute Cocktails gehört, vom Parkplatz am Ende der Asphaltstraße nach und nach hergeschafft. Sie müssen das selber tun, denn die Lieferwagen kommen nicht durch. Und sogar die neuen Gasflaschen für den Herd sind bereits da. Zwei Mann polieren Gläser, einer wischt den Tresen, der nächste bereitet Salate vor.
Hinter den Kulissen hat soweit alles geklappt – und auch vorne unterm Dach sind bereits die ersten Tische besetzt. Die Musik läuft, die Leute lachen und wippen mit den Füßen im Takt, während draußen auf dem Wasser die erste Motorjacht Anker wirft. Sie sieht so ähnlich aus wie das Charterschiff von Mick Jagger, der letztes Jahr vorbeischaute. Gegen Mittag wird es das erste Mal voll werden: »Da kommen sie alle und wollen essen. Dann ist hier Hochbetrieb.«
Nur einer ist diesmal verspätet, aber das ist einzig sein Problem. Er hat es nicht eilig, auch nicht über Mittag, braucht keine Konzession, kann tun und lassen, was er will – sagt Onofre: »Tomás ist der Strandhändler hier, Tomás war schon immer da. Wie die Dünen und der Sand. Er hat keinen Druck. Er macht einen Strandtag und verdient sein Geld nebenbei.« Er lacht – und scheint den Mann mit dem improvisierten Verkaufsstand neben der Bar ein wenig zu beneiden.
Auch nebenan bei Francisco Jaime Pizá Bordoy herrscht inzwischen Hochbetrieb. Sein Kassierer Ramón, ein relaxter junger Typ mit schwarzem T-Shirt und Fünftagebart, hat gut zu tun, geht von Strohsonnenschirm zu
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