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Lesereise Mallorca

Lesereise Mallorca

Titel: Lesereise Mallorca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Sobik
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Details.

Vertrieben aus dem »paraíso«
Der König von Es Trenc, neue Saiten im sandigen Garten Eden und ein zweites Paradies: ein Tag in der Biografie des schönsten Strandes von Mallorca
    Nein, wirklich, damit hatte er nicht gerechnet. So ähnlich wie damals bei Adam und Eva. Sie haben ihn einfach aus dem Paradies vertrieben. Nach all den Jahren! Übel haben sie ihm mitgespielt, ihn einfach abgezockt! Esteban Sanchez kann kaum still sitzen auf seinem Barhocker, schimpft wie ein Rohrspatz, kritzelt Zahlen auf eine Serviette, fuchtelt mit seiner Ray-Ban-Sonnenbrille. Und seine Oberlippe wölbt sich nach oben, wenn er endlich einen Moment zur Ruhe kommt: wie bei einem zutiefst beleidigten Kind, dem jemand einfach in die schöne Sandburg getreten hat. Aus purer Gemeinheit.
    Dabei war Esteban Sanchez so etwas wie der ungekrönte König von Es Trenc, des schönsten und des längsten unverbauten Sandstrands auf Mallorca. Vierunddreißig Jahre lang hat er dort seine Beach Bar Ultimo Paraíso, das »Letzte Paradies«, geführt. Der Name war kaum Übertreibung, die Lage wirklich paradiesisch: zwanzig Schritte vom Meer, zehn von den unter strengen Naturschutz gestellten Dünen im Rücken. Aus den Boxen dudelte von frühmorgens bis spätabends Lounge-Musik. Wer cool war, kam zum Chillen, zum gepflegten Abhängen, zum Gesehenwerden. Wer weniger cool war, der kam zum Sehen. Und dann waren da noch die, denen das ganze Getue sowieso egal war. Die kamen einfach nur auf einen Drink, ein Eis, einen Snack und um diesen Blick zu genießen: von einem kleinen Holzpodest mit Tischen und Sitzbänken unter einem von schlichten Säulen getragenen weißen Dach aus in die herrliche Umgebung. Vor ihnen lag das Mittelmeer, rollte sanft auf diesem schneeweißen Sand aus, schillerte selber in karibischem Türkis. Am Himmel klebte die Sonne und schien nach Kräften. Das Thermometer zeigte dreißig Grad, und die weiße sangria aus cava , dem spanischen Schaumwein, aus frisch gepresstem Orangen- und Melonensaft, aus einem Schuss Rum, einem Spritzer Cointreau und Früchten erfrischte so richtig – die Ein-Liter-Karaffe für fünfzehn Euro. Gleichzeitig flanierten die Strandschönheiten an diesem Logenplatz vorbei.
    Was Esteban Sanchez nicht erzählt: dass er den Bogen offenbar gewaltig überspannt hat, Regeln mehr als nur gedehnt und die Rolle des Strandkönigs mit Haut und Haaren gelebt hat. Dass er in einer kleinen Bar Partys mit dreitausend Gästen gefeiert hat, bei denen der Alkohol in Strömen floss. Und dass – angeblich – hinterher manchmal Einiges aufzuräumen blieb im Garten Eden. Und drumherum.
    Gleichwohl, es gab viele Tage, Wochen, manchmal Monate, da hatte die Bar des ergrauten Lebemanns aus Murcia wirklich Vieles vom letzten Paradies – auch deshalb, weil Autos fern waren, es keinen Straßenlärm gab und weil jedes Hotel kilometerweit weg war. Wer kommen wollte, musste zumindest die letzten paar Hundert Meter vom Parkplatz weit hinten in den Salzwiesen bei den Salinen zu Fuß gehen.
    Lange Zeit war es fast ein Automatismus, dass die zuständigen Gemeindebehörden Esteban jedes Jahr die Konzession für die Bar verlängerten. Immer und immer wieder. »Früher«, sagt er, »hat mich das dreißigtausend Euro pro Saison gekostet. Das war viel Geld.« Aber verdient hat er noch viel mehr. Die Bar war wie die beiden anderen ein paar Hundert Meter östlich und westlich davon eine Goldgrube: weil es nichts anderes gibt, keinen Kiosk am Strand. Und weil kaum einer der Badegäste, der jungen Machos, der schönen Frauen, der Familien, der älteren Ehepaare mit Vorräten bepackt wie Maulesel über die Dünen ziehen wollte.
    Alle kehrten irgendwann ein. Und es kamen viele an diesen Strand: Sie tun es noch immer, sie genießen dieses Stück Mallorca, nehmen Anfahrtsstau, enge Pisten durch den Wald und Parkplatzsorgen in Kauf, um sich einen Tag lang den Sand von Es Trenc zum weichen Bett zu formen, ab und zu zur Erfrischung ins Meer zu steigen und irgendwann abends deutlich brauner als am Vormittag wieder in ihr Hotel zurückzufahren.
    Aber dann gab es plötzlich andere Interessenten, die bei der jährlichen Ausschreibung für die Bar mitgeboten haben – bei dieser wie den beiden anderen von Es Trenc. Das hat die Preise hochgetrieben: »Es war die Gier der Politiker. Sie sind schuld, sie haben mich vertrieben.« Fünfzig Prozent der Konzessionsgebühr fließen in die örtlichen Kassen, die andere Hälfte der jährlichen Pacht geht an den

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