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Lesereise Nordfriesische Inseln

Lesereise Nordfriesische Inseln

Titel: Lesereise Nordfriesische Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine von Soden
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Arbeit über die Schulter geguckt hat, »einige sehen aus wie überrascht, andere verraten gesammelte Duldsamkeit.« 1980 erschien die Foto-Dokumentation im Selbstverlag. Eine Rarität, die man mit etwas Glück antiquarisch noch aufstöbern kann.
    Europaweit machte sich Pellworm einen Namen, seitdem im Zuge des ökologischen Aufbruchs auf der Insel begonnen wurde, aus Wind, Sonne und Biomasse Energie zu schöpfen. Inzwischen gewinnen die Pellwormer doppelt so viel Megawattstunden wie sie zur eigenen Versorgung benötigen. Ein Seekabel »exportiert« den Stromüberschuss. Zukunftsvisionen erklärt eine Multimediashow im Pellwormer Info-Café des Solarkraftwerks. Dass die rund tausend Insulaner selbst keine Stromfresser sind, liegt auf der Hand. Dass sie aber ohne Straßenbeleuchtung auskommen, bewusst sogar darauf verzichten, verdient Respekt. Zumal dies nicht einzig aus Sparsamkeitserwägungen geschieht, sondern aus vollem Genuss an ihrem wahrhaft überirdisch schönen Sternenhimmel. Genießen Sie ihn auch! Und pflücken Sie sich in klaren Nächten auf der Milchstraße einen Strauß Kleeblätter!
    Mystisches bietet Pellworm wie die Halligen unterirdisch im Watt. So kann man Tonscherben, Krüge oder Brunnenringe finden, die vom sagenhaften Rungholt erzählen. Bitte solche Funde nicht als Souvenir mit nach Hause nehmen, sie gehören dem Land Schleswig-Holstein, werden von Archäologen datiert und archiviert, damit die Geschichte der Uthlande weiterlebt.
    Schickimicki ist Pellworm fremd, auch überkandidelte Küche. Ausgelobte Kochmützen gibt es daher auch nicht. Aber: Sechs Krabbenkutter, die von März bis November auf Fang gehen. Keine nordfriesische Insel kann an dieser Traditionspflege klingeln! Amrum zählt bloß noch einen, Föhr zwei und Sylt – sieht man vom letzten Hobby-Krabbenfischer ab – keinen. Wer mehr über Pellworms Überraschungen lesen will, abonniere De Pellwormer . 1996 starte die Inselzeitung mit einer Auflage von tausendfünfhundertfünfzig Stück. Tag des Erscheinens: jeweils der letzte Freitag im Monat, vierzig Seiten dick. Bis heute existiert das Heimatblatt, unverändert und krisenresistent! Das mache einer nach!

Eisige Schöne
Wintermärchen im Wattenmeer
    Viele Jahre haben sie uns im Stich gelassen. Nun sind sie wieder da – die Eiswinter! Mit grauweiß befrackten Nebeln, deren Schwaden auf gefrorenen Wellen gewagte Pirouetten drehen! Schneewällen, die sich am Strand übereinanderschichten und Nordpol spielen! Glaswänden, die der Frost aus Flutwellen gießt und wie Theaterkulissen an Promenaden schiebt! Steine am Spülsaum verkleiden sich in Eiskonfekt, Muschelschalen mit Eiskristallen in unbezahlbarem Abendschmuck! Blaue Nasen wandern unterm blauen Himmel! Zwischen verschneiten Wimpern verwischen die Konturen, verschwimmen die Impressionen. Schneeverwehungen summen wundersame Melodien. Am kältesten ist es am Wattenmeer gewöhnlich im Februar.
    Eisbären verirren sich nicht in die nordfriesischen Gewässer. Aber die Schneeammer, der nördlichste Brutvogel der Welt. Und je stärker es stürmt und schneit, desto wohler fühlt sich der zarte arktische Gast. Wintergäste aus dem Rheinland sehen das anders. Trotz Eiergrog und Teepunsch vorm Zubettgehen, wachen sie nachts wegen kalter Füße auf. Die Schneeammer schläft in ihrem mit Federn ausgepolsterten Nest alkoholfrei durch. Das Leben ist hart und ungerecht. Besonders an der Küste.
    Sibirische Kältehochs sind es, die zusammen mit schneidendem Ostwind die Temperaturen in Nordfriesland unter null zwingen. Und wenn dazu noch kräftig Schneeflocken fallen, verzaubert sich die Wattlandschaft in ein Wintermärchen – mit Eismützen auf Duckdalben und Buhnen, weiß eingestäubten Dünenbergen, Eisgruß auf der gekräuselten See und Eiszapfen, die wie Fransen an den Rändern von Reetdächern hängen.
    Der Landschaftsmaler Jan Lass, Mitglied der Künstlergruppe »De Warft«, schuf 1923 Aquarelle vom Eiswinter auf Sylt, »Bilder der Polarwelt«, wie die Flensburger Nachrichten damals annoncierten, »Treibeisnächte unter unheimlichem schwarzen Himmel, leuchtende Firnträume, perlmuttfarbene Nebeltage und ein Sonnenaufgang wie am ersten Schöpfungstage«. In strengen Wintern, so 1891/92 oder 1888/89 oder 1904/05, wenn Watt und Wasserwege durch Eisgang unpassierbar waren, beförderte man die Post zwischen den Inseln, Halligen und dem Festland auf Eisbooten. Die wuchtigen Gefährte hatten Kufen, wurden von mehreren Männern in kniehohen

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