Dein Auftritt Prinzessin
Freitag, 2. Januar, 14 Uhr, im genovesischen Parlament
Angeblich hab ich ja »Ferien«. Ganz im Ernst. Winterferien. Eigentlich sollte ich mich amüsieren, ausruhen und mich mental auf das nächste Halbjahr vorbereiten, weil Mathe da noch viel komplizierter wird und außerdem Gesundheitslehre dazukommt. In der Schule waren sie alle superneidisch: Oh, du Glückliche, du darfst in einem echten Schloss Weihnachten feiern, wo du von vorne bis hinten bedient wirst. Toll.
Dabei ist es ganz und gar nicht toll, in einem Schloss zu wohnen. Warum? Na, weil hier alles uralt und verranzt ist. Der Kasten stammt zwar nicht aus dem 4. Jahrhundert (oder wann auch immer meine Urahnin Rosagunde zur ersten genovesischen Fürstin gekürt wurde), sondern von Anfang des 17. Jahrhunderts - aber jetzt sag ich mal, was es um 1600 alles nicht gab:
1. Kabelfernsehen
2. DSL-Anschluss
3. Klos
Ja, okay, inzwischen gibt’s hier zwar eine Satellitenschüssel, aber der Palastbesitzer ist nun mal leider Dad und der hat bloß CNN, CNN Financial News und so einen lahmen Golf-Sender einprogrammiert. Wo läuft bitteschön MTV? Wo läuft Der große TV-Roman? Dem weiblichen Fernsehpublikum wird hier nichts geboten!
Wobei ich sowieso nicht zum Fernsehen kommen würde, weil ich bloß rumgehetzt werde. Ich hab nie auch nur ein Sekündchen Zeit, in dem ich gemütlich zur Fernbedienung greifen und murmeln könnte: »Hm-hm-hm, mal schauen, ob nicht irgendwo ein schöner kitschiger Liebesfilm läuft.«
Ach, und was die Klos betrifft … nur so viel: Im 17. Jahrhundert war die Kanalisation noch nicht besonders ausgereift. Wenn man heute, vierhundert Jahre später, auch nur ein Blatt Klopapier zu viel in die Schüssel wirft und es runterzuspülen versucht, muss man im heimischen Badezimmer gleich so eine Art Mini-Jahrhundertflut bekämpfen.
Tja, so viel zu meinem tollen Leben in Genovia.
Meine Freunde und Freundinnen pesen gerade in Nobel-Skiorten wie Aspen die Pisten runter oder grillen in Miami am Strand.
Und was mach ich? Wie sehen meine Winterferien aus?
Sekunde. Ich hol mal den neuen Terminplaner, den mir Grandmère zu Weihnachten geschenkt hat (toll, was? Welches Mädchen würde vor Freude über einen Terminplaner nicht im Dreieck hüpfen?), und schreibe die bisherigen Highlights daraus ab:
Aus dem fürstlichen Terminplaner: Sonntag, 21. Dezember
Bin in Genovia gelandet. Hätte dem offiziellen genovesischen Begrüßungskomitee, das mich am Flughafen erwartete, fast vor die Füße gekotzt, weil ich auf dem Flug eine Familienpackung M&Ms in mich reingefressen hab. (M&M = Mia & Michael!)
Habe Michael vor exakt 24 Stunden das letzte Mal gesehen. Wollte ihn bei seinen Großeltern in Boca Raton anrufen, wo die Moscovitzens die Ferien verbringen, aber es ist niemand ans
Telefon gegangen, was vielleicht an der Zeitverschiebung liegt. Hier in Genovia sind wir Florida um sechs Stunden voraus.
Aus dem fürstlichen Terminplaner: Montag, 22. Dezember
Besichtigung des Panzerkreuzers Prince Philippe. Bin über Ankerkette gestolpert und hab dabei versehentlich Admiral Pepin über Bord gestoßen. Er blieb aber unversehrt und wurde mit einer Harpune wieder rausgefischt.
Wieso bin ich eigentlich die Einzige hier, die erkennt, dass man dringend was gegen die Umweltverschmutzung tun muss? Die Leute, die im genovesischen Jachthafen ankern, sollten mal darüber nachdenken, was sie da alles gedankenlos ins Meer schmeißen. Wie jeder weiß, bleiben immer wieder arme Schweinswale mit der Schnauze in diesen Folienringen stecken, mit denen die Getränkedosen bei den Sechserpacks aneinander hängen. Und dann verhungern sie, weil sie das Maul nicht mehr aufkriegen. Die Leute bräuchten die Folienringe bloß zerschneiden, bevor sie sie ins Meer schmeißen, und alles wäre okay.
Na ja, alles auch nicht, weil man ja eigentlich gar keinen Müll ins Meer schmeißen soll.
Ich kann einfach nicht tatenlos zusehen, wie hilflose Meeresgeschöpfe leiden müssen, bloß weil irgendwelche Sonnen ölsüchtigen den ganzen Tag an Deck liegen und dabei Unmengen Getränkedosen in Sixpacks konsumieren.
Schon zwei Tage ohne Michael. Habe zweimal versucht, ihn zu erreichen. Beim ersten Mal ist niemand rangegangen. Beim zweiten Mal sagte seine Großmutter, er sei gerade zur Apotheke gegangen, um für seinen Großvater so ein Puder gegen Schweißfüße zu kaufen. Der Gute. Er ist immer für andere da.
Aus dem fürstlichen Terminplaner: Dienstag, 23. Dezember
Frühstück mit dem Verband
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