Lesereise Schottland
man könnte ihn für mich haftbar machen, murmelte entschuldigend: »Na ja, er ist Ausländer.« Er sah staunend zu, wie ich das Helle freiwillig in mich hineinschüttete. Zugegeben – britisches Lagerbier ist wirklich furchtbar. Aber wenigstens sprudelt es.
Drei Japaner im Whiskyfass
Es war immer mein Traum, einmal in einem Whiskyfass zu sitzen. Dieses ist jedoch leer und rollt, elektrisch angetrieben, auf Rädern durch die Hallen des schottischen Whiskyzentrums in Edinburgh: dreihundert Jahre Whiskygeschichte in fünfzehn Minuten.
Es beginnt 1687. Die erste Station ist ein düsteres Zimmer einer strohgedeckten Hütte auf einer Hebrideninsel. Aus dem Inneren meines Fasses ertönt eine Stimme vom Band, die mir erklärt, dass die Kleinbauern damals ihre Pacht mit Whisky bezahlt haben. Der Bauer, eine Plastikfigur in zerfetzter Kleidung, sitzt vor seiner Destille, das künstliche Torffeuer in der Kaminattrappe strömt künstlichen Brandgeruch aus. Vor dem Kamin liegt eine staubige Katze, in der Ecke sitzt ein Japaner. Ein Japaner? In wattierter Jacke und Turnschuhen? Da haben sich die Whiskygeschichtler aber einen bösen Schnitzer erlaubt.
Als ob er meine Gedanken erraten hätte, steht der Japaner plötzlich auf, und mir stehen die Haare zu Berge. Zwei seiner Landsleute kommen hinter den Kulissen hervor, die drei setzen sich in mein Nachbarfass. Sie sind sternhagelvoll, obwohl auch ihr Fass leer ist. Sie seien in der Bar des Whiskyzentrums einer schottischen Gesellschaft von Whiskyliebhabern beigetreten, erklärt mir einer der drei jungen Männer. Für fünf Pfund Jahresbeitrag erhält man vier erlesene Malzwhiskys. »Allemal billiger, als wenn man die Getränke einzeln gekauft hätte«, lallt er. »Und nach der ersten Runde im Whiskyfass sind wir nochmal beigetreten, weil die Barleute inzwischen Schichtwechsel hatten.«
Wir sind, was die Whiskygeschichte betrifft, beim Englisch-Französischen Krieg angekommen, der auf englischer Seite durch eine Erhöhung der Whiskysteuer finanziert wurde. Das führte zu einem Aufschwung der Schwarzbrennerei in den Stichtälern der schottischen Highlands. Die Japaner versuchen, der Schwarzbrenner-Attrappe die Flasche zu entwenden, springen aber erschreckt zurück ins Fass, als ein Blitz den Raum erhellt. Das Kunstgewitter soll jedoch die kriminellen Aktivitäten des Schwarzbrenners, und nicht die der Japaner, untermalen.
Hinter der nächsten Kurve liegt das Jahr 1822. Damals hat König George IV. die schottische Hauptstadt besucht. Die Freude und der Stolz darüber waren in Edinburgh so groß, dass die Männer fortan wieder Röcke trugen und Unmengen von Whisky tranken, erklärt die Fassstimme. Die Japaner vernehmen es rauchend.
Im letzten Raum geht es um den Siegeszug des schottischen Nationalgetränks in diesem Jahrhundert. Auf einem Podest steht ein älterer Japaner mit einem Whiskyglas in der Hand. Der Vater der drei Saufbrüder etwa? Nein, es ist eine Puppe – zur Illustration, dass man auch in Fernost Whisky trinkt. Das hatten die drei jungen Männer bereits eindrucksvoll bewiesen.
Am Ende der Fahrt leuchtet oben an der Wand ein Schild: »Während der Viertelstunde, die ihre Fasstour gedauert hat, sind weltweit hundertvierundsechzigtausend Flaschen schottischen Whiskys verkauft worden.« Die drei Japaner beschließen, diese Bilanz umgehend zu verbessern.
Jesus auf den Hebriden, Tauben im Parlament
Vielleicht liegt es an der hohen Luftfeuchtigkeit, vielleicht wirkt auch die Verschrobenheit der südlichen Nachbarn ansteckend. In Sachen Skurrilität müssen sich die Schotten jedenfalls nicht vor den Engländern verstecken. Atlantis sei in Wirklichkeit die Ostküste Schottlands gewesen, schrieb ein Comyns Beaumont im 19. Jahrhundert. Im Jahr 584 vor unserer Zeitrechnung sei ein Stück Norwegens abgebrochen und habe einen Tsunami ausgelöst.
Dieser Tsunami sei übrigens mit Noahs Sintflut identisch, meint Beaumont und liefert auch den Beweis: Im Nahen Osten gab es zu dieser Zeit gar keine Überschwemmung. Die Söhne Adams seien danach gen Osten gewandert. Dorthin gingen zur gleichen Zeit auch die Menschen von den Färöern, deren Name von »Faragh«, also »Häuptling«, abstammt. Sie landeten in Ägypten und wurden Pharaonen.
Weil Atlantis Schottland ist, so folgert Beaumont, muss Edinburgh Jerusalem sein. Warum sonst hätten die Römer ein Regiment aus dem nordenglischen York schicken sollen, um den jüdischen Aufstand zu bekämpfen? Das hatte nur Sinn, wenn Jerusalem
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