Lesereise Zypern
beiden hier lebenden und bedrohten Arten der Suppenschildkröte und der Unechten Karettschildkröte entwickelt. Die Strände werden bewacht – vor allem vor neugierigen Blicken der Menschen. Naturschützer tragen die kleinen Schildkröten in schützenden Käfigen zum Meer. Dort allerdings müssen sie selbst den Überlebenskampf bestehen. Sie treffen auf Meerbarben, Tintenfische, Krabben, Schwertfische, Seesterne und Flötenfische. Die Vielfalt ist angemessen groß. Viel Glück, kleine Meeresschildkröten, bis ihr einmal mit eineinhalb Metern Länge ausgewachsen seid!
Das Lara-Projekt am Strand nördlich von Avagas wird vom World Wildlife Fund mitfinanziert. Es sichert rund viertausend Tieren im Jahr das Überleben. Sogar gläserne Brutkästen setzen die Tierfreunde ein. Das Verblüffende: Die Temperatur regelt, ob Männchen oder Weibchen aus den Eiern schlüpfen. Liegt die Lufttemperatur im Kasten unter neunundzwanzig bis dreißig Grad, kommen männliche Meeresschildkröten heraus, liegt sie höher, erblickt weiblicher Nachwuchs das Licht des Lara-Strands. Oft suchen sie später denselben Platz zur Eiablage auf. Sie kommen meist im Juni, buddeln Nester von fünfzig bis hundert Zentimetern Tiefe im Sand und legen rund hundert Eier hinein. Dann planieren sie das Nest mit ihrem Körper wieder zu. Es ist ein Schauspiel, das man sich am besten im Film ansieht, denn die Tiere sollten doch bitte ihre Ruhe haben.
Mit der Zypern-Maus ist es da einfacher: Sie macht sich in den Wäldern des Gebirges rar. Sie lässt sich einfach nicht bedrohen, denn sie weicht frühzeitig aus, wenn die Schritte des Wanderers den Boden dröhnen lassen. Sie ist und bleibt eine Verteidigerin ihrer Insel. Von so einem langen Stammbaum können andere Tierarten nur träumen.
Hercules schenkt noch Tee nach
Das Forest Park Hotel in Platres ist eine liebenswerte Institution
Im Raum, in dem die antiken Vasen stehen, zieht Hercules Skyrianides plötzlich die Tischdecke beiseite. »Hier an dem grünen Tisch hat damals König Farouk von Ägypten Karten gespielt«, verkündet der einundsiebzigjährige Hotelchef stolz. Da der König schon 1952 abdanken musste, ist es schon eine Weile her, dass er hier auftrumpfte. Doch Hercules erinnert sich genau. »Wenn er nur drei Könige in seinem Blatt hatte, sagte er keck: ›Und der vierte König, das bin ich.‹«
Das Forest Park Hotel in Platres hoch oben im Troodos-Gebirge von Zypern war schon seit seiner Gründung 1936 die erste Adresse im Lande. Es ist eine gemäßigte Klimaregion, die die Briten dem im Sommer überhitzten Küstensaum vorzogen. Zudem fällt im Winter oben am Olymp in fast zweitausend Metern Höhe Schnee, sodass im Januar und Februar Skifahrer hier schon damals Urlaub einlegten. Hercules selbst ist ein passionierter Abfahrtsläufer, was am Olymp allerdings in zwei bis drei Minuten erledigt ist – länger sind die Pisten nicht. Immerhin reichte sein Talent, um an den Olympischen Winterspielen 1984 in Sarajevo teilzunehmen. Eine Medaille hat er leider nicht vorzuweisen.
Vor dem Kamin im Empfangsraum seines Hotels bittet der Seniorchef zur Teestunde. Dazu lässt er zwei Sorten Plätzchen servieren. Der untersetzte Mann mit seiner dunkelblauen Cordhose, dem blau-weiß gestreiften Hemd und dem knallroten Pullover grinst. Er wirkt so britisch, dass »Sir« als Anrede angebracht wäre. In Portsmouth hatte er Hotelmanagement studiert, bevor er 1962 nach Zypern zurückkam, um das ehrwürdige Haus von seinem Vater zu übernehmen. Seit 2001 ist Hercules Chief Executive Officer des Hotels. »Darf ich noch nachschenken?«, fragt er seine Gäste artig und das schon lange bevor ein dezenter Ober in der Tür erscheint, um nachzusehen.
Aus dem Kaminfeuer knackt es. Hercules hält Plauderstunde, aber so unaufdringlich, so offen und vertraulich, dass es dem Gast vorkommt, als servierte ein alter Freund ihm die wichtigsten, verpassten Höhepunkte des Hotellebens und die der gesamten Mittelmeerinsel in seiner viel zu langen Abwesenheit. Da war die indische Premierministerin Indira Gandhi im September 1983 zu Gast, woran Hercules mit einigen Details erinnert. Zwei Jahre später legte sich Daniel Ortega, der legendäre Präsident Nicaraguas, für ein paar Nächte hier zur Ruhe und quittierte das mit einem schwungvollen Eintrag im Gästebuch.
»Willy Brandt war ein sehr spezieller Gast«, erinnert sich Hercules und schmunzelt ein wenig. Der deutsche Bundeskanzler war Anfang der siebziger Jahre berüchtigt für
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