Lesereise Zypern
nichts kostet. Ist das nicht schrecklich?« Nein, das hat sein edles Haus mit dem wunderbaren Luxus und den zeitgemäßen Zimmern gewiss nicht verdient.
Da spricht er doch lieber von seinem alten Hobby – den Oldtimern. An historischen Rallyes hat er schon oft teilgenommen, auch auf anderen Kontinenten. Als Mitglied im Cyprus Classic Car Club steuert er stolz seine Autos aus den dreißiger Jahren, präsentiert sie auch bei Ausstellungen und setzt sich gern in seinen Porsche 911, Baujahr 1967. Leidenschaft braust in ihm auf. Seine Erzählungen von den alten Autos sind so genau und verliebt, der Gast sieht in seiner Fantasie sein Gegenüber schon in Ledermütze und mit durchbrochenen Autohandschuhen. Ach, Hercules ist ein Original. Auf seiner Visitenkarte steht nicht mehr als der Name und der Ort sowie Zypern. Es hat ein wenig die Anmutung wie eine Adresse vom Format »Papst, Rom«. Doch von Erhabenheit gibt es bei Hercules keine Spur. Es ist diese Mischung aus korrektem Englisch, wortgenauer Beschreibung, Lust am Erzählen, gelegentlichen Gesten, gediegenem Lachen und Beobachtung seiner Zuhörer, die Hercules zu einem Vortragskünstler und unterhaltsamen Zyprioten machen, der einem im Gedächtnis bleibt. Deutliche Worte ohne ausfallend zu werden, klare Meinungen ohne dem Gast über den Mund zu fahren und eine Ahnung, wie tief die Zuneigung einzelner Menschen bei ihm gehen kann – das liefert er mühelos.
Jetzt erzählt er von Rolf und Irene aus Deutschland. Sie ließen sich vor mehr als zehn Jahren in einer hübschen Bucht auf der Insel nieder. Sie kauften ein Anwesen und bestückten es mit wertvollen Mitbringseln ihrer ausgedehnten Reisen. Teppiche, Schmuck, Antiquitäten und vieles mehr zierten ihre Wohnung. Sie lernten sogar Griechisch. Bei den ersten Besuchen, noch ohne das Haus, wohnten sie im Forest Park Hotel zum kurzen Skifahren zu Beginn eines Jahres. Damals genossen sie die Gastfreundschaft des Mannes, der irgendwann ihr Erbe werden sollte. Sie konnten ihm vertrauen. Sie konnten ihn nachts anrufen, wenn in ihrem Haus der Abfluss abrupt nicht mehr seinem üblichen Auftrag nachkam. Mit Handwerkern und Anwälten kennt sich Hercules aus. Rolf und Irene erlebten eine Wärme, ein Geborgensein, eine Notrufbereitschaft, wie sie sie in Deutschland nie empfunden hatten. Hercules, dessen Name beim Ansehen der eher kleinen Person vielleicht zunächst amüsant erscheint, zeigt seine wahre Größe. Als Sohn des Zeus wohnt er im Olymp – in diesem Fall tatsächlich kurz unterhalb des höchsten Bergs Zyperns – und sein Name ist Synonym für große Kraft. Dieser Hercules erscheint zwar nicht als selbstloser Helfer, aber auf keinen Fall als jemand, der auf Gegenleistung erpicht ist. Er hilft aus seinem Selbstverständnis heraus.
Als Rolf und Irene kurz nacheinander gestorben waren, erfuhr der Hotelier, dass sie ihn als Erben ihrer Villa mit Meerblick auserwählt hatten. Nahe Verwandte hatten sie nicht. Die fernen wurden informiert, dass Hercules den Schlüssel habe und ihnen gern gelegentlich Zugang gewähre zu dem hübschen Haus, das er jetzt manchmal als Wochenendsitz nutzt. Doch der neue Besitzer stellt protokollarisch fest: »Es hat sich bisher niemand bei mir gemeldet.«
Baden mit Aphrodite
Der Kult um die »Schaumgeborene« und ihren Freund Adonis
Sie trug diesen Liebesgürtel, der alle Männer verzauberte. Sie war zwar verheiratet – mit dem unattraktiven Hephaistos, aber das war bloß der Unfall einer Verkupplungsgeschichte, wie sie nur Götter einfädeln können. Sie schwelgte in Seitensprüngen, inszenierte Leidenschaft, brachte mit dem Kriegsgott Ares den Sohn Eros zur Welt und vernachlässigte dabei nie ihre politische Arbeit, um die Macht im Olymp zu vergrößern.
Diese vielschichtige Frau, die Göttin der Liebe und Schönheit, kam aus Zypern. Der Schriftsteller Herodot beschreibt sie in allen Einzelheiten und verehrt »die aus dem Schaum Geborene«, denn »aphros« bedeutet Schaum. Da über göttliche Existenzen selten verbriefte Dokumente zu finden sind, hatten es die Zypern-Werber leicht. Sie fuhren die Südküstenstraße B6 entlang und blickten aufs Meer. An einer besonders schönen Stelle, an der Felsen mystisch in der Brandung liegen, hielten sie an und tauften den Ort zwischen Pissoúri und Koúklia Aphrodite-Felsen.
Heute führt vom Parkplatz ein Tunnel unter der Straße hindurch zum Kieselstrand. Irgendwo hier in der Brandung soll Aphrodite einst aus dem Schaum gestiegen sein. Erstmals in
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