Letzte Reise
Pfähle einlädt, hat er genug. King hatte Bedenken und mischte sich ein. Zwischen den Pfählen stünden Holzfiguren von ihren Göttern, sagte er. Aber wer ist hier der höchste Gott? Ich beherrschte mich und sagte, sie sollten sich mit Koa beraten. Man fühlt sich geschmeichelt, wenn einem ein Geschenk gemacht wird. Zumal ein Geschenk von unschätzbarem Wert, stellt den Empfänger weit über den Schenkenden. Ich versuche, meine geheime Denkoperation der Umkehrung darauf anzuwenden, und erkenne, daß das Geschenk auch ein Anschlag ist, ein Versuch des Schenkenden, den Empfänger in seine Macht zu bekommen. Warum sonst schleppte ich die Pferde nach Tahiti? Hierüber muß ich heute nacht gründlich nachdenken. Sie wollen mich haben, das ist offensichtlich. Ich bin kein Zuschauer mehr. Meine Gedanken gehen zu unserem Aufenthalt auf Tonga zurück, wo ich gegen jedermanns Wunsch Zeuge des Menschenopfers sein wollte, von dem wir so viel gehört hatten. Das größte Geschenk. Hemd und Hut und Perücke mußte ich ablegen, nackt, mit offenem Haar, saß ich zwischen den Priestern und schaute auf den bereitliegenden Mann. Sie hatten ihm Hände und Füße an einen Pfahl gebunden und ihm mit einem Knüppel auf den Kopf geschlagen. Sie erhitzten Steine in einem großen Feuer und legten sie mit gegabelten Zweigen in eine Grube. Darauf wurde das Opfer hinabgelassen und mit Erde bedeckt, bis das Fleisch gar von den Knochen fiel. Großes Schwein, sagen sie. Es gibt Schwein und großes Schwein. Das schmeckt am besten. Götterspeise.
Langes Gespräch mit Koa geführt. Ungehalten, daß ich ihn so schlecht verstehe. Wenn hier jemand mit königlichem Blut stirbt, schneiden sie den Leichnam in Stücke, die sie über alle Provinzen der Insel verteilen, so daß die Erde überall gleichermaßen an der königlichen Kraft partizipiert. Derjenige, der die Knochen schließlich begräbt, wird danach feierlich ermordet, damit er nichts mehr enthüllen kann. Was geschieht mit dem Fleisch? Koa verstand mich nicht. Keine Antwort. Mir wurde ganz leicht im Kopf bei der Vorstellung, daß sich so ein verstorbener Prinz über die ganze Insel erstreckt, gleichsam in sie eindringt, um aus der Tiefe heraus seine Kräfte auszustrahlen.
2. Februar. Die an Bord nötigen mich zu einem Dasein als Kapitän. Gezänk und Genörgel über diese heiligen Pfähle. Als stünden sie mir nicht zu! Ein tragischer Unfall brachte mich in meine alte Funktion zurück. William Watman, mein ältester Matrose, stürzte, als er eine Rolle Tau aufhob. Schaum flog ihm aus dem Mund, und er zuckte furchterregend mit allen Gliedmaßen. Als es vorüber war, konnte er seine rechte Körperhälfte nicht mehr gebrauchen und nicht mehr sprechen. Wir legten ihn in Kings Koje. Samwell wachte bei ihm. Er starb am Morgen. Gestern haben wir ihn begraben. An Land! Auf Ersuchen der Priester, dachten alle. Doch die Priester führten aus, was ich ihnen eingeflüstert hatte. Mein treuester Diener einstweilen von dieser Erde umschlossen. Die Insulaner warfen Nüsse und Bananen in das Grab. Als wir unseren Gottesdienst beendet hatten, stimmten sie ihren Trauergesang an, der bedeutend mehr hermacht als der unsrige.
3. Februar. Meine Leutnants sind ungeduldig. Sie wollen fort. Zum Abschied türmten die Eingeborenen Berge von Eßbarem, am Strand auf, im Tausch gegen einige winzige Brocken Eisen. Es ist eine komplexe Verschwörung. Koa nahm mich beiseite und bat mich, meinen ›Sohn‹ bei ihm zurückzulassen. Er meint King. Warum King? Seine Bitte gilt mir, denke ich. King ist lediglich ein Emblem. Ich sagte, daß ich meinen Sohn noch brauchte. Vielleicht im nächsten Jahr. Koa nickte und drängte nicht weiter. Auf dieser Insel weiß man um die Bedeutung der Ernährung. Die Matrosen essen am liebsten, was sie von zu Hause mitgebracht haben, doch an eine Heimkehr ist auf die Weise nicht zu denken! Ich aß Pinguine am Südpol, Seelöwen oberhalb von Unalaska und Schildkrötenfleisch bei den Koralleninseln. Verschlingen bedeutet: sich ausbreiten, sich etwas Neues aneignen. Ich habe beschlossen, nichts zu tun. Das Komplott wird sich entfalten.
6. Februar. Ein jeder ist gerührt über den Abschied. Alles ist hier anders gewesen als auf den anderen Inseln. Nirgendwo wurden wir mit größerem Respekt behandelt. Dennoch wirken meine Männer erleichtert, da wir wieder auf See sind. Auf dem Weg nach Norden, denken sie. Ich habe angekündigt, daß wir zunächst die kleineren Inseln dieses Archipels erforschen
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