Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
hatte.
»Hey Mütze, wo will denn die Brille mit dir hin?«, ulkte jemand hinter uns.
Das kannte ich zwar schon, aber vor der Prinzessin war es mir total peinlich. Doch sie schien den Witzbold gar nicht gehört zu haben. Plötzlich blieb sie stehen und hielt meine Hand fest, so dass ich auch stehen bleiben musste.
»Kurt, irgendetwas stimmt nicht«, sagte sie und guckte mich mit großen Augen an. Ich musste erst einmal schlucken, weil die Prinzessin einfach so meine Hand genommen hatte. »Wieso?«, fragte ich und zog meine Hand schnell aus der ihren. Leider riss ich dabei ein rosa Band von ihrem Kleid ab.
»Verfluxter Knurpselknilch!«, schimpfte die Prinzessin und wir schauten dem rosa Band hinterher, bis es um die nächste Ecke geflattert war.
»Heute Morgen waren die süßen Stückchen beim Bäcker fast ausverkauft. Und weißt du auch warum?«, fragte die Prinzessin und schaute mich böse an.
»Nein«, antwortete ich und fühlte mich ganz elend, weil ich es nicht wusste.
»Weil ganz viele Eltern vergessen haben, ihren Kindern ein Schulbrot zu schmieren. Darum! Ich habe die anderen Kinder gefragt.«
»Aha«, machte ich und verstand überhaupt nichts.
Ich gehe fast jeden Morgen zum Bäcker, weil nur Mama mir Schulbrote schmiert und die ist ja meistens nicht da. Oma und Papa haben dafür keine Zeit, weil sie noch schlafen, wenn ich morgens losgehe. Da fiel mir ein, dass es an diesem Morgen beim Bäcker keine Nussschnecken mehr gegeben hatte. Ich hatte mir ein normales Brötchen kaufen müssen. In der Pause aßen alle Kinder Kuchen, Törtchen oder Brötchen vom Bäcker und ich hatte das Gefühl, dass sie das eigentlich ziemlich toll fanden. Auch Johannes hatte an dem Tag wieder genüsslich an einer Zuckerschnecke geknabbert.
»Findest du das nicht komisch?«, fragte die Prinzessin. »Dein Vater vergisst, dir die Haare zu schneiden. Deine Oma bügelt deine Hemden nicht. Johannes’ Eltern erlauben ihrem Sohn, eine Zuckerschnecke beim Bäcker zu kaufen. Sandro kommt mit ungekämmten Haaren in die Schule. Außerdem hatte heute keiner ein Schulbrot dabei. Und meine Eltern haben seit gestern kein Wort mehr mit mir gesprochen. Als wäre ich gar nicht da. Ich sage dir Kurt, da stimmt was nicht.«
Als sie von ihren Eltern erzählte, zitterte ihre Stimme. Sie biss sich ganz fest auf die Lippen und wurde noch ein bisschen grünlicher. Sie fing zwar nicht an zu weinen. Dafür griff sie sich den untersten ihrer Röcke und schniefte kräftig hinein. Ich fand das aber nicht eklig.
Es war also die Prinzessin, die als erste bemerkte, dass irgendetwas nicht stimmte. Wenn ich heute darüber nachdenke, kann ich gar nicht glauben, dass die Dinge, die dann passierten, niemandem außer uns seltsam vorkamen.
Beobachtungen seltsamer Dinge
Am nächsten Tag standen die Prinzessin und ich in der Pause im Schulhof zusammen. Die Prinzessin ist einen Kopf größer als ich und es sah bestimmt lustig aus, wie wir zusammen im Hof standen. Wir taten aber so, als würden wir nicht bemerken, dass die anderen ihre Köpfe tuschelnd und kichernd zusammensteckten.
»Na, ihr beiden? Ihr habt euch doch nicht etwa ineinander verliebt?«, gluckste Max, der an uns vorbeischlenderte.
Wir versuchten, ihn nicht zu beachten. Es gab nämlich Wichtigeres zu tun. Die Prinzessin hielt einen Schreibblock in der Hand und notierte alles, was uns auffiel. Zum Beispiel, dass sich Max die ganze Zeit seine viel zu weite Hose hochziehen musste, weil er keinen Gürtel trug. Es war die Idee der Prinzessin gewesen, alles aufzuschreiben, was anders war als sonst. Sie hatte mich noch vor der ersten Stunde gefragt, ob ich ihr dabei helfen wollte. Klar wollte ich das.
Die Prinzessin riss wütend ein Blatt vom Block, weil sie sich schon wieder verschrieben hatte. »Vermurxter Riesenplatsch!«, fluchte sie laut und ich fuhr vor Schreck zusammen, obwohl sie das schon das sechste Mal sagte.
»Soll ich vielleicht lieber schreiben?«, fragte ich sie zum fünften Mal.
Aber die Prinzessin schüttelte wieder den Kopf. Also schaute ich mich weiter um und beobachtete die Kinder, die über den Schulhof tollten oder in Gruppen zusammenstanden und Geheimnisse austauschten. Man musste schon sehr genau hingucken, um Veränderungen zu sehen. Viele hatten ungewaschene Haare und schmutzige Klamotten oder rutschende Hosen wie Max oder trugen ihre T-Shirts verkehrt herum. Aber da war auch noch etwas anderes. Ich brauchte eine Weile, bis ich wusste, was es war. Doch bevor ich die
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