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Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Titel: Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Herden
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Monate in Zentralamerika nach Knochen und Scherben buddeln. Das ist immer so ein trauriger Moment, wenn Mama winkend hinter der Passkontrolle verschwindet. Ich versuchte tapfer zu sein, damit sie sich nicht schlecht fühlen musste. Also wedelte ich wie verrückt mit den Armen. Ich glaube, Oma und Papa ging es genauso wie mir. Nur dass Oma nicht nur winkte, sondern auch vor sich hingrummelte. Und Papa knetete seine Mütze in den Händen. Darum konnte er natürlich nicht winken.
    Bevor wir zum Flughafen gefahren waren, hatte Mama mich immer wieder umarmt und geküsst. Wie auf Vorrat. Wahrscheinlich dachte sie, dass ich dann genug davon hatte, bis sie wiederkam. Aber das funktioniert natürlich nicht.
    Nachdem Mama hinter der Kontrolle verschwunden war, haben Papa, Oma und ich am Flughafen ein Eis gegessen. Dabei redeten wir kein Wort und eigentlich schmeckte das Eis auch nicht besonders gut. Aber wir machen das immer so, wenn wir Mama zum Flughafen bringen.
    Als wir dann wieder im Auto saßen, sagte Papa: »Na dann, hinein in den Alltag.« Alltag ist, wenn Mama nicht zuhause ist. Dann setzt Papa sich wieder vor den Computer und entwirft neue Programme und Oma führt den Haushalt. Das macht sie mit so viel Gebrumm, Geächze und Gemurmel, dass man denken könnte, sie hat gar keinen Spaß dabei. Aber ich glaube, sie ist in Wirklichkeit froh darüber, wenn sie wieder alleine in unserer Wohnung schalten und walten kann.
    An diesem Tag gingen Oma und ich als erstes zum Bäcker. Ich trug die Tasche nach Hause. Oma nahm meine Mütze ab und fuhr mir durch die Stoppeln. »Was bist du stark, mein liebes Kurtchen«, sagte sie.
    Die Tasche war gar nicht schwer, es war ja nur ein Brot darin. Aber stark bin ich trotzdem. Sehr stark sogar. Ich habe nämlich im Hapkido den blau-roten Gürtel. »Das hat in deinem Alter noch niemand geschafft«, hat mein Lehrer gesagt, als er ihn mir nach der letzten Gürtelprüfung überreicht hat. Dafür trainiere ich aber auch zwölf Stunden in der Woche. Oma hatte mich vor vier Jahren angemeldet. »So, Kurtchen«, hatte sie damals gesagt und von den Ärmeln und Beinen des schwarzen Kampfanzugs ein gutes Stück abgeschnitten, »du bist zwar klein, aber das heißt ja nicht, dass du auch schwach sein musst.«
    Sie war dann doch überrascht, wie schnell ich all die Fuß-, Hand- und Falltechniken lernte. Ich glaube, Oma steht total auf asiatische Kampfsportarten. Ich habe sie mal heimlich dabei beobachtet, wie sie im Wohnzimmer seltsame Fußtritte übte, während im Fernseher ein Kung-Fu-Film lief. Das sah so lustig aus, dass ich zum Lachen schnell in mein Zimmer geflitzt bin. Als Papa noch ein Junge war, hatte er den orange-grünen Gürtel im Judo. Er musste Oma im Garten hinterm Haus immer zeigen, was er Neues im Training gelernt hatte. Oma wäre selber gerne ins Judotraining gegangen, als sie jung war. Doch das wäre damals nicht schicklich gewesen, hat mir Papa erklärt.
    Nachdem wir vom Bäcker zurückgekommen waren, begann Oma in der Küche zu werkeln und ich ging in mein Zimmer. Ich hatte den Plan, meinen alten Nintendo DS so umzubauen, dass ich damit auch fernsehen konnte. Das war nämlich echt nervig an Oma: Obwohl sie selber viel fernsah, durfte ich das nicht. Also musste ich andere Mittel und Wege finden. So richtig weit kam ich jedoch nicht, denn ich musste ins Hapkido-Training. Das hätte ich an diesem Tag aber auch ausfallen lassen können. Ich konnte mich gar nicht richtig konzentrieren. Im Freikampf wurde ich viel öfter auf die Matte gelegt als sonst. Dagegen waren die 100 Liegestütze zum Abschluss eine echte Erholung.
    Auf dem Heimweg dachte ich noch einmal angestrengt darüber nach, wie ich den DS neu programmieren könnte. Darum lief ich mitten in ein Pärchen hinein, das auf dem Gehweg stand und sich küsste. Als ich mich entschuldigte, hatte ich bestimmt einen tomatenroten Kopf. Doch die beiden lachten nur und ich ging schnell weiter.
    »Ha… Ha… Hallo, Kurt«, hörte ich da eine Stimme aus dem Gebüsch zischeln. Dann packte mich jemand am Arm und plötzlich saß ich neben Sandro unter stachligen Ästen.
    »Du solltest mich lieber nicht so erschrecken«, sagte ich und holte erst einmal tief Luft. »Ich habe nämlich den blauroten Gürtel im Hapkido. Ich hätte dir sehr wehtun können.«
    »Pst«, machte Sandro und zeigte durch die Blätter auf den Mann, der die Frau nun wieder innig küsste. »W… w… wie fin… findest du den?«, fragte er mich flüsternd.
    »Keine Ahnung. Er

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