Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
Friedrich auch mit, der statt einer Antwort nur mit den Achseln zuckte. „Haben sie denn wenigstens schon die Bergrettung verständigt?“, setzte Gasperlmaier nach. „Ja, ja“, antwortete der Friedrich. „Die sind anscheinend schon unterwegs. Finden werden sie halt nichts, weil sie ja keine Ahnung haben, wo sie suchen müssen, so wie es ausschaut. Der Anruf ist ihnen auf der Hütte deswegen so seltsam vorgekommen, weil der Anrufer weder gesagt hat, wer er ist, noch, wo er ist, und weil er auch nicht bei der Hütte aufgetaucht ist. Was ja eigentlich normal wäre.“ „Vielleicht hat sich da einer einen Scherz erlaubt“, meinte Gasperlmaier. Der Friedrich schaltete das Blaulicht ein und winkte dem Fahrer des altersschwachen Geländewagens zu, den sie auf der recht schmalen Zufahrtsstraße zum Loser hin überholten. Aus dem Wagen winkte ihnen der Bohuslav zu, der tschechische Kellner, der schon seit Jahren auf der Loserhütte den Skifahrern im Winter, wenn Selbstbedienung war, die Kasspatzen und die Germknödel zum Abholen hinstellte.
Bald nach der Mautstelle, bei der sechsten oder siebten Kehre schon, tauchten sie in die Nebelsuppe ein, die man von unten als tief hängende Wolkendecke wahrnehmen hatte können. „Ein grausliches Wetter!“, meinte Gasperlmaier, worauf ihm der Kahlß Friedrich mit einem leisen Grunzen beipflichtete. „Ganz schlecht für die Gäst!“, fügte Gasperlmaier noch hinzu. Der September und der Oktober, als beliebte Wandermonate, lockten oft noch viele Touristen an, die natürlich sofort das Weite suchten, sobald sich im Ausseerland einmal eine feuchtkalte Wetterlage eingenistet hatte, die sich oft tagelang hartnäckig weigerte, weiterzuziehen. Ein brauner Kombi kam ihnen entgegen, wie Gasperlmaier verwundert feststellte. „Ein Gmundner!“, informierte er Kahlß verwundert, um seine Überraschung darüber auszudrücken, dass bei diesem Wetter ein Auto mit einem Kennzeichen aus dem benachbarten Bezirk, mithin also kaum ein Einheimischer, vom Loser herunterfuhr.
Nach wenigen Minuten hatten sie die Loserhütte erreicht. Auf den paar Metern vom Auto in die Gaststube krochen Gasperlmaier Feuchtigkeit und Kälte durch die Uniform hindurch bis auf den Leib. Natürlich hatte er heute früh nicht daran gedacht, sich warme Unterwäsche anzuziehen. Vor drei Tagen erst war man zu Hause auf der Terrasse und beim Wirt im Gastgarten gesessen, da verschwendete man noch keine Gedanken an warme Winterkleidung.
„Grüß euch!“ Der Kilian, der Wirt der Loserhütte, bedeutete den beiden, in der leeren Gaststube Platz zu nehmen. „Was darf ich euch denn bringen? Zwei Bier?“ Der Kahlß Friedrich nickte nur kurz, was bedeutete, dass auch Gasperlmaier ein Bier bekommen würde. Zwei Gründe gab es, warum Gasperlmaier bei dem Gedanken, schon am Vormittag ein Bier zu trinken, ein wenig unwohl wurde. Zum einen hatte er sehr schlechte Erfahrungen mit Presse und Fernsehen gemacht, wo er vor kurzem recht dumm dagestanden war, als pflichtvergessener Polizist, der an nichts als sein tägliches Bier dachte. Eine Folge davon war ein recht unerfreuliches Gespräch mit dem Bezirkspolizeikommandanten über den Ruf der Polizei in der Öffentlichkeit gewesen, eine weitere, eine kräftige Abmahnung. Dabei, so dachte Gasperlmaier bei sich, war er sich auch jetzt noch, den damaligen Vorfall betreffend, keiner Schuld bewusst.
Der zweite Grund war die Christine, Gasperlmaiers Frau, die es nicht gerne sah, wenn er zu viel Bier und Schnaps in sich hineinschüttete. Und was zu viel war, darüber waren sich Gasperlmaier und seine Christine, so gut sie sich sonst auch vertrugen, selten einig.
Bevor Gasperlmaier noch mit seinen Gedanken zu Ende gekommen war, hatte der Kilian schon zwei Halbe Bier vor sie hingestellt. Der Kahlß Friedrich griff nach dem Glas, das ihm am nächsten stand, setzte es an, und als er es losließ, fehlte bereits die Hälfte des Inhalts. Ein tiefer, zufriedener Rülpser entfuhr dem Friedrich. Gasperlmaier, im Vergleich dazu, nippte nur an seinem Bier.
Jetzt, so dachte Gasperlmaier bei sich, geht es ans Geschäft, als der Friedrich fragte: „Wie war das jetzt mit dem Anruf?“ „Ja“, antwortete der Kilian, „da war die Jetti dran. Ich hol sie euch gleich.“ Die Jetti, das war eine Kellnerin, die nur gelegentlich beschäftigt wurde. Was sie an einem Tag, wo überhaupt mit keinem Geschäft zu rechnen war, hier heroben machte, das, so dachte Gasperlmaier bei sich, erschien ihm rätselhaft. Es sei
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