Leuchtfeuer Der Liebe
saubere Kleidung für die Frau hernehmen? Er besaß nur das Nötigste für den Sommer und den Winter. Kentucky-Jeans, ein paar Hemden und seine Uniform als Leuchtturmwärter. Die Sachen, die er nicht trug, waren in der Schmutzwäsche und wurden in einem großen Kessel auf dem Herd ausgekocht. Erst heute Morgen hatte er sein Nachthemd in die Schmutzwäsche gegeben.
„Du hast Frauenkleider in deinem Haus, Palina", sagte er.
„Nein. Das dauert zu lang. Sie ist halb erfroren. Sie braucht etwas zum Anziehen, und zwar schnell!"
Gegen seinen Willen warf er einen Blick auf die alte Seemannskiste am Fußende des Bettes.
„Ich habe nichts", log er krächzend, die Kehle war ihm wie zugeschnürt. „Hör zu, ich laufe zu eurem Haus und bin in zehn Minuten wieder da."
„Ich brauch e. jetzt trockene Sachen für sie." Palina fixierte ihn mit einem Blick, der keinen Widerspruch duldete. „Sie braucht die Sachen jetzt."
Jesse ballte die Hände zu Fäusten. Nein. Er schreckte vor dem Gedanken zurück, in seiner Vergangenheit zu wühlen. Doch dann tat er etwas, was er sich geschworen hatte, nie im Leben zu tun.
Widerstrebend öffnete er den Deckel der Truhe. Ein vertrauter Duft stieg ihm in die Nase und ließ ihm die Knie weich werden. Emily. Er zwang sich, in den sorgfältig gefalteten Kleidern zu wühlen, spürte flauschigen Flanell, riss den Stoff heraus und warf ihn Palina zu. Verzeih, Emily. „Hier", knurrte er. „Ich mache Holz fürs Feuer."
Er spürte Palinas forschenden Blick wie glühende Kohlen im Rücken, während er aus dem Haus zum Geräteschuppen stapfte und die Axt holte.
Er stellte einen großen Klotz auf den Hackstock, hob die Axt mit beiden Händen über den Kopf, ließ sie mit einem wuchtigen Schwung niedersausen und spaltete den Klotz mit einem einzigen Schlag in zwei Teile, die so hell leuchteten wie eine frische Wunde. Jesse schlug die Klötze in handliche Scheite, verbissen mit rhythmischer Gewalt.
Doch sein Zorn vermochte die Dämonen nicht zu vertreiben. Er hatte es gewusst, bevor er die Seekiste geöffnet hatte - die Büchse der Pandora, die er jahrelang verschlossen gehalten hatte.
Er hatte das Flanellnachthemd kaum wahrgenommen, das er Pa li na zugeworfen hatte, und dennoch sah er den Stoff in jeder Einzelheit vor sich - das Muster aus kleinen grünen Blättern und blauen Streublumen, die weiße Baumwollspitze an Ausschnitt und Ärmeln. Am schlimmsten war der Duft, der immer noch in ihren Kleidern hing.
Der Duft seiner Frau. Wie eine Melodie, die ihm nicht aus dem Sinn ging und unerwünschte Erinnerungen wie Wellen in ihm hochschwappen ließen. Er sah sie vor sich, hörte ihr Lachen, roch den Duft der Seife, des Puders, die sie benutzte.
Auch nach all den Jahren blutete seine Seele, wenn er an sie dachte. Wenn er an die Hoffnungen und Träume dachte, die er so leichtfertig zerstört hatte.
Grimmig ließ er die Axt niedersausen, immer wieder, als könne Gewalt ihn von seiner Pein befreien. Seine Schultermuskeln schmerzten, der Schweiß lief ihm von der Stirn in die Augen, tropfte ihm vom Hals und Brust. Als Magnus aus dem Haus kam, stand Jesse knietief in frisch gespaltenen Holzscheiten. Magnus blickte verständnislos auf den riesigen Berg Brennholz. „Es ist besser, du kommst jetzt ins Haus", sagte er.
Im Haus war es erstickend warm. Das blaue Kleid der Frau war im Waschbottich auf dem Herd gelandet. Jesse behagte der Gedanke ganz und gar nicht, dass das Kleid dieser Fremden zusammen mit seiner Wäsche gewaschen wurde.
Palina schnalzte besorgt mit der Zunge und schob der Frau Kissen in den Rücken.
„Was bist du bloß für ein wichtigtuerisches altes Weib", sagte Jesse. Zu seinem Erstaunen klang seine Stimme beinahe normal.
„Und darauf bin ich stolz", entgegnete sie spitz.
Wäre Jesse ein heiterer Mann gewesen, hätte er jetzt gelächelt. Er hatte Magnus und Palina wirklich gern, die genau wussten, wann sie ihm helfen und wann sie ihn in Ruhe lassen sollten. Im Augenblick brauchte er ihre Hilfe.
„Na?" stichelte Palina. „Interessiert es dich gar nicht, ob es deiner kleinen Besucherin besser geht?"
„Geht es ihr besser?"
Palina nickte und fuhr sich mit abgearbeiteten Händen glättend über ihre weiße Schürze. „Bei guter Pflege wird sie bald wieder auf der Höhe sein und sicher ein gesundes Baby zur Welt bringen."
Bei der Erwähnung des Kindes zuckte Jesse innerlich zusammen, ließ sich jedoch nichts anmerken und gab sich kühl und verschlossen. „Mit dem Karren
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