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Leute, ich fuehle mich leicht

Titel: Leute, ich fuehle mich leicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Abendluft ist mild und über den Feldern und Kuhweiden geht langsam und wunderschön die rote Abendsonne unter. Auch wenn ich gerne bei Johannes in der Pension übernachten würde, halte ich es für sinnvoll, mich für den Rest des Tages und die Nacht an die Klinikvorschriften zu halten. Die Sache mit dem Restaurantausflug wird sowieso noch ein Nachspiel für mich haben, da müssen Herrn Doktor Wilhelms Nerven ja von mir nicht zusätzlich gestresst werden. Am Ende rastet er noch richtig aus. Blöderweise habe ich ja versäumt, mir diese venezianische Augenmaske von Cotsch überzustülpen, um wenigstens bei dieser dämlichen Aktion unerkannt zu bleiben. Ich merke gerade: Von meiner Schwester Cotsch kann man noch einiges lernen, in puncto »Undercover-Action«.

19
    J ohannes bringt mich bis vor die Drehtür der Anstalt und unser Abschied hat die Qualität eines romantischen Filmklassikers. Es ist, als würde ich nach meinem Freigang nun wieder in die enge Gefängniszelle zurückmüssen, damit die Aufseher hinter mir die eiserne Tür schließen können. Und genauso fühle ich mich. Wie eine mit Höchststrafe bedachte Gefangene, und ich sage euch eins: Wenn ich ein Gefühl nicht leiden kann, dann das des Gefangenseins. Deswegen werde ich auch niemals studieren oder in einem Büro arbeiten. Ich hasse es, wenn mir die Leute sagen, wann und wo ich zu sein habe. Davon kriege ich Depressionen. Ich muss mich frei bewegen können. Das ist schon mal ein Fakt. Darum gehe ich auch so ungern in die Schule. Sich gezwungenermaßen in einem Raum aufhalten zu müssen, liegt mir nicht.
    Johannes gibt mir einen Kuss auf die Lippen, wobei er an der Nasensonde vorbeimuss. Ich sage: »Hast du schon mal ein Mädchen mit Nasensonde geküsst?«
    »Nee, aber ich find’s irre. In den Genuss kommen nicht viele Leute. Nee, echt. Ich finde es bombig.«
    Johannes grinst, und ich weiß und fühle, dass er es genauso meint, wie er es sagt. Und dann küsse ich ihn und dabei schlinge ich die Arme um seinen Hals. Nur ganz kurz, damit er sich nicht am Ende des Tages gefangen fühlt.
    Er sagt: »Morgen früh muss ich den ersten Zug nehmen, weil wir ja am Nachmittag diesen Bandauftritt beim Stadtteilfest haben.«
    »Ja...«
    »Schade, dass du nicht mitkannst. Als unser Groupie.«
    »Ich wäre wirklich gerne dabei.«
    Und schon werde ich wieder ganz traurig, weil ich mir vorstelle, wie morgen alle Leute wild am Abtanzen sind und den Jungs auf der Bühne Kusshände und andere Sachen zuwerfen. Nur ich gammle hier in dieser dusseligen Klinik herum und arbeite meine Kindheit auf. Ich befürchte, das wird dauern, weil ich nicht sehe, wie ich mit einer Zimmergenossin wie Simone gesund werden kann.
    Johannes streicht mir eine Haarsträhne hinter das Ohr und meint: »Elsbeth, das war der abgefahrenste Tag meines Lebens. Mit dir erlebt man wirklich tolle Sachen.«
    Ich nicke und ziehe die Mundwinkel leicht nach oben, das habe ich mir im Laufe des Abends so angewöhnt. Ich sage: »Scheiße, das war richtig peinlich, vorhin.«
    »Ja, richtig. An Simones Stelle würde ich mich direkt umbringen.«
    Johannes und ich drücken uns noch mal fest aneinander, dann geht mein Freund los, mit den Händen in den Hosentaschen, mit hängendem Kopf und schlurfenden Schritten. Noch dreimal dreht er sich zu mir um, ein letztes Mal, als er oben auf dem Hügel angekommen ist und sein Gesicht im Mondenschein weiß-bläulich schimmert. Ich hebe den Arm und rufe: »Vergiss mich nicht!«
    Dann verschwinde ich durch die Drehtür, rein in die Klinik, und in mir krampft sich alles zusammen. Ich beschließe, ganz schnell ins Bett zu gehen und zu schlafen, damit die Zeit vergeht und ich endlich und bald wieder nach Hause kann. Am besten, ich verschlafe einfach die nächsten Monate.
     
    Als ich endlich gegen Mitternacht eingeschlafen bin, rumst unsere Tür ins Schloss und Simone torkelt durchs dunkle Zimmer. Dabei stößt sie mit ihren spitzen Gliedmaßen gegen den Sessel und dann gegen mein Bett. Und zwar so doll, dass sie ihr Gleichgewicht verliert und voll auf mich draufplumpst. Ich rieche ihre Alkoholfahne, gemischt mit billigem Parfüm. »Entschuldigung, E-li-sa-beth.«
    »Simone?«
    »Wer sonst?«
    »Wo bist du gewesen?«
    »Scheiß die Wand an, ist doch egal. Bei so einem Dorftrottel.«
    »Bei was für einem Dorftrottel?«
    »So einem Dorftrottel eben, den ich auf der Straße getroffen habe.«
    »Und was hast du mit dem gemacht?«
    »Was getrunken.«
    »Wo denn?«
    »Na, bei ihm zu

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