Leute, ich fuehle mich leicht
Hause. Sonst noch Fragen?«
»Nein. Sei froh, dass er dich nicht vergewaltigt hat.«
»Vielleicht hat er das ja.«
Leute, Simone scheint ziemlich dicht zu sein. Sie schafft es kaum, sich wieder von meinem Bett hochzurappeln. Sie liegt da einfach so auf mir drauf, als sei ich eine Matratze oder so was. Ich ziehe meine Knie etwas zu mir heran, weil meine Knochen sich ungut und schmerzhaft aufeinanderdrücken, solange Simone auf ihnen liegt.
Endlich schafft es meine Zimmerkollegin, sich zumindest wieder aufzusetzen. Sie lässt ihre Handtasche fallen, ihre Oma-Pumps schleudert sie quer durchs Zimmer. Jetzt bin ich definitiv wach. Sie lallt: »Kannst du mir mal bitte hinten den Reißverschluss vom Kleid aufmachen?«
»Meinetwegen.«
Ich richte mich auf und Simone lehnt sich zu mir herüber. Mann, die muss echt einen Liter Schnaps getrunken haben. Wenn ich ihren Atem weiterhin einatme, bin ich auch gleich benebelt. Besser, ich halte die Luft an. Sie fummelt sich umständlich die Haare im Nacken hoch und ich ziehe den Reißverschluss runter.
»Danke.«
»Keine Ursache.«
Ich lege mich zurück in meine Kissen, unter die Decke und würde sehr gerne einfach nur weiterschlafen, weil ich sofort wieder anfange, mir vorzustellen, wie Johannes jetzt allein in seinem Pensionsbett ganz in meiner Nähe liegt, und ich so gerne neben ihm liegen würde. Wie ihr wisst, wäre das die Gelegenheit, endlich mal eine Nacht mit einem Jungen zu verbringen. Stattdessen verbringe ich sie mit dieser volltrunkenen Schnapsdrossel, die ständig mit ihrem Oberkörper auf mein Bett kippt und mir dabei die Knochen bricht. Ich meine, die Klinikleitung sollte wirklich etwas mehr Sorgfalt bei der Zusammenstellung der Zimmerbelegung an den Tag legen. Mit so einer durchgedrehten Tante am Bein kann ich nicht gesund werden!
Simone erhebt sich mühsam, wobei sie gleich ein paar Schritte nach vorne, dann wieder nach hinten taumelt und irgendwie versucht, nicht gegen den Schrank zu prallen. Als sie einigermaßen sicher steht, wirft sie ihr Kleid über die Stehlampe und stampft in BH und Unterhose durch unser nachtblaues Zimmer. Nur der Mond wirft sein weißes Licht zu uns herein und reflektiert auf Simones akkuratem Körper. Gleich kommt sie wieder nah zu mir heran, kniet sich an meinem Kopfende auf den Teppich und flüstert: »Lelle, ich sage dir, wärst du ein Mann, ich würde dich heiraten.«
Hä? Was soll das denn jetzt?
Sie streicht mir so ein bisschen über die Schulter und meint: »Du bist einfach so ein Mensch, der weiß, wer ich bin. Du hast die große Gabe, mich im Inneren zu erkennen. Weißt du, was ich meine? Ich wäre wirklich gerne deine Frau.«
»Okay.«
Simone streicht noch so ein bisschen mit ihrer Hand über meine Schulter und dieses ist gerade eine Erfahrung der dritten Art. Vollkommen neu, in jedem Fall.
Simone seufzt und sagt: »Aus dir wird mal etwas ganz Besonderes werden. Eine große Berühmtheit oder so. Vielleicht aber auch eine Priesterin.«
»Wenn du meinst.«
»Ich spüre das.«
Dann steht sie auf und taumelt an meinem Bett entlang, in Richtung Badezimmer. Da schaltet sie das Licht an und vermeldet: »Ich gehe mal kurz aufs Klo.«
Und um nicht ganz ignorant zu sein - weil ich ja weiß, wie empfindlich Simone auf Missachtung reagiert -, sage ich: »Mach das.«
Ich wälze mich in meinem Bett auf die Seite, klemme mir die Decke zwischen meine Knie, um die hervorstehenden Knochen etwas abzupolstern, und schließe die Augen. Die Badezimmertür geht zu, und ich setze alles daran, wieder einzuschlafen, um mich wenigstens im Traum mit Johannes zu verbinden. Doch irgendwie muss ich immer auf die Geräusche im Badezimmer lauschen, weil ich Angst habe, dass ich höre, wie Simone sich übergibt. Aber es dringen weder Kotzgeräusche noch das Klospülungsgeräusch zu mir rüber. Nach einer Viertelstunde fange ich an, mir ein bisschen Sorgen zu machen. Vielleicht ist sie umgekippt und hat sich den Kopf an der Badewanne aufgeschlagen. Kann doch sein. Ich stehe also auf und klopfe zaghaft an die Tür.
»Simone, ist alles okay?«
Es kommt null Reaktion. Das hat mir gerade noch gefehlt. Immer muss Stress sein. Ich presse mein Ohr an das Türblatt und halte den Atem an. Nichts. Kein Rascheln, kein Würgen, kein Wasserrauschen. Nichts.
»Simone?«
Ich klopfe etwas stärker an die Tür. Ich gebe zu, ich bin befangen, weil ich es für meinen Teil überhaupt nicht leiden kann, wenn jemand von außen an die Tür bollert, während
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