Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)
mehrere Tausend Meter hohen Bergketten der Sierra Nevada, die das Liberty Valley jenseits der Wälder von allen Seiten umschlossen.
Was für ein erhabener Anblick!
Das einzig Störende waren die grellen Lichtfinger der Suchscheinwerfer. Sie stachen von den hohen Wachtürmen in die Dunkelheit. Alle fünfhundert Meter erhoben sie sich über die Umzäunung der Sicherheitszone, die mit Starkstrom, Betongräben, stählernen Todesstacheln und Selbstschussanlagen bewehrt war. Der gebündelte Strahl ihrer Suchscheinwerfer wanderte auf der Suche nach sich anschleichenden Nightraidern über das freie vorgelagerte Feld. Gute zweihundert Meter weit erstreckte es sich von der Umzäunung bis an den Saum des Totenwalds, der sich auf allen Seiten kilometerweit die zerklüfteten Berghänge hinaufzog und in der Ferne am Fuß der nackten Felswände endete.
Im Totenwald war mittlerweile wieder nächtliche Stille eingekehrt. Ohne Zweifel hatten die Guardians von Liberty 9 die Gruppe der Nightraider vertrieben oder vielleicht sogar getötet. Vor allem aber hoffte Kendira, dass sie keine Gefangenen gemacht hatten. Denn mehr noch als das schreckliche Cleansing eines Libertianers, der einen Code-10-Verstoß begangen hatte und deshalb der Gunst der Erhabenen Macht nicht mehr würdig war, hasste sie die öffentlichen Hinrichtungen gefangener Nightraider.
Hinrichtungen fanden stets vor der Umzäunung oben auf Rockcastle Hill statt, und der Anblick der Leichen, die dann dort wochenlang von dem rostigen Stangengitter hingen, bis von ihnen nur noch abgenagte und ausgebleichte Knochen übrig waren, war entsetzlich. In den viereinhalb Jahren, die Kendira nun schon in der Lichtburg lebte, hatte es drei derartige Hinrichtungen gegeben. Und jedes Mal hatte sie alle Willenskraft aufbieten müssen, um sich nicht vor Ekel öffentlich zu übergeben.
Bei den Gedanken an die Hinrichtungen und das Cleansing lief ihr ein Schauer über den Rücken. Sie verdrängte die entsetzlichen Bilder mit aller Macht.
Mit einer energischen Bewegung schlug sie ihre Kapuze hoch, strich sich eine Strähne ihres kastanienbraunen Haars aus dem Gesicht und machte sich auf den Weg zu einem ihrer Lieblingsplätze.
2
Die Klausur der Lichtburg mit dem weitläufigen Obsthain, den drei mit Holzbrücken verbundenen Fischteichen und dem alten, mannshohen Heckenlabyrinth im hinteren Teil des Ziergartens hatte Kendira schnell hinter sich gelassen.
Der ausgetretene Weg zum Vista Hill, den sie nach so vielen Jahren hier im Liberty Valley wohl selbst im Schlaf gefunden hätte, führte einige Hundert Meter am Rabbit Creek entlang. Der kleine Wasserlauf wand sich über die ganze Länge durch das Tal und speiste den Liberty Lake, der sich hinter dem Kletterfelsen am Vista Hill erstreckte.
Der Rabbit Creek lieferte zwar auch Strom, aber nur in einem sehr bescheidenen Umfang. Der überwiegende Teil der Energie kam von den Modulen im untersten Tiefgeschoss des Schwarzen Würfels sowie von dem großen Solarfeld.
Kurz vor der scharfen Biegung des Tals, das aus der Vogelperspektive wie ein angewinkelter Arm von vierzehn Kilometer Länge aussehen musste, erstreckte sich das Solarfeld zwanzig glitzernde Reihen tief über die ganze Breite der Sicherheitszone. Und das war nicht wenig, betrug die Breite von der Umzäunung im Osten bis zu den Schutzanlagen im Westen doch im Durchschnitt gute dreieinhalb Kilometer.
Das tief gestaffelte Solarfeld stellte auch eine innere Grenze dar. Es trennte nämlich den Südteil von Liberty 9 mit seinem Embrolab, dem lichtdurchfluteten Rundbau der Aufzucht, und den großen landwirtschaftlichen Betrieben namens Eden 1 bis Eden 24 vom etwas kleineren, mehr naturbelassenen Nordteil des Tals, in dem sich die Lichtburg mit der Lichtbasilika und die umliegenden Gebäude befanden– der Schwarze Würfel, die Tube und das ihnen gegenüberliegende Oval des Gym.
Dass die Kaserne der Guardians, ein lang gestrecktes zweistöckiges Gebäude aus mattgrauen geriffelten Metallplatten mit schmalen, schlitzförmigen Fenstern, genau in der Mitte des Solarfeldes errichtet worden war, markierte die innere Grenze noch zusätzlich. Es war eine Grenze, die scharf kontrolliert wurde und die nur passieren durfte, wer dazu berechtigt war und sich entsprechend ausweisen konnte.
Die Frauen unter den Servanten in Eden, die überwiegend im Embrolab arbeiteten, aber auch in den landwirtschaftlichen Betrieben, erhielten eine solche Erlaubnis zum Betreten der nördlichen Talhälfte unter
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