Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)
Welt konnte er anzweifeln, was sie alle von Kindesbeinen an in der Aufzucht von Eden und dann hier in der Lichtburg gelernt hatten?
» Hast du dich schon mal gefragt, warum wir nie aus der umzäunten Sicherheitszone hinausgehen und unsere Welt erweitern, wo wir doch mehrere Hundert Leute sind und eine ganze Kompanie schwer bewaffneter Guardians zu unserer Verfügung haben? Warum also wagen wir uns nicht hinaus, wo es sich doch bei den gelegentlichen Angreifern aus dem Totenwald immer nur um kleine Gruppen von Nightraidern handelt? «
» Was redest du denn da für einen Unsinn? « , fuhr sie ihn an. » Jedes kleine Kind weiß doch, dass die Nightraider bloß darauf warten, dass wir so eine Dummheit begehen. Da draußen in den Wäldern, die ja nicht ohne Grund ›Totenwald‹ heißen, lauern mehr Dunkelmenschen, als es den Anschein hat– von den wilden Tieren ganz zu schweigen. Und sie alle wollen unseren Tod und unsere Vernichtung. Oder hast du vergessen, was mit Liberty 4 und vor allem mit Liberty 7 auf der anderen Seite der Schneeberge geschehen ist? « , erinnerte sie ihn. » Ihr Servanten habt den Videoclip in der Lichtbasilika während der Gedenkmesse für die Opfer doch auch gesehen! «
» Ja, schon… «
» Niedergebrannt und geplündert haben sie Liberty 7 und jeden Libertianer dort gnadenlos abgeschlachtet. Nichts als zerstückelte Leichen, Trümmer und verbrannte Erde von einem Ende des Tals bis ans andere Ende haben sie zurückgelassen! Und in Liberty 4 sah es nicht viel besser aus! «
Er schien etwas darauf erwidern zu wollen, besann sich aber offenbar anders. » Dann sag mir doch wenigstens, was genau mit denjenigen von euch Electoren geschieht, die mit dem Lichtschiff zur Erhöhung abgeholt und zum Dienst im Lichttempel gebracht werden? Wo liegt überhaupt dieser mysteriöse Ort? Warum gibt es davon und von der Dunkelwelt und den Städten unter Hyperions Schutz keine Karten? Und schon gar keine genauen Berichte über das, was da geschieht? « Er redete sich regelrecht in Fahrt. » Verdammt noch mal, was hat es überhaupt mit diesem hochwürdigen Dienst auf sich, für den ihr jahrelang so hart im Schwarzen Würfel trainiert? «
Ungläubig schüttelte Kendira den Kopf. » Eine solche Frage kann wohl nur von einem Servanten kommen « , antwortete sie. Nach allem, was er eben an Äußerungen von sich gegeben hatte, konnte sie es sich einfach nicht verkneifen, ihre Stellung als Elector im Alpha-Level deutlich herauszukehren und ihm ihre Überlegenheit unmissverständlich vor Augen zu führen. » Das ist doch gerade das Mysterium, das uns nach unserer Erhöhung von der Erhabenen Macht im Lichttempel offenbart wird! Aber das sind natürlich Dinge, die für dich zu hoch sind. «
» Mag sein « , knurrte er widerwillig und mit teils ärgerlichem, teils mitleidigem Blick. » Aber vielleicht bist du trotz allem gut beraten, dir über die Dinge hier in der Sicherheitszone ein paar kritische Gedanken zu machen. «
» Ich wüsste nicht, wieso ich mir kritische Gedanken machen sollte! «
» Weil nicht wenige großartige Träume mit einem bösen Erwachen enden. «
Sie runzelte die Stirn. » Und was soll das jetzt heißen? «
Er wollte etwas darauf erwidern, erhielt jedoch keine Gelegenheit mehr dazu.
Denn in dem Moment kam aus der Richtung, wo der Pfad hinauf zur Hügelkuppe mit den Eichen führte, ein Geräusch. Es klang nach dem Knacken von trockenem Unterholz. Jemand näherte sich ihnen von dort!
Er winkte ab. » Vergiss es! « , stieß er hastig hervor. » Was ist nun mit mir und der Wand? Wirst du mich verraten und auf den Stuhl bringen oder schweigst du darüber und lässt mich davonkommen, Elector Kendira? « Er griff nach ihrer Hand, hielt sie fest in der seinen und sah sie eindringlich an.
Sie glaubte, Angst in seinen Augen zu sehen. Sein Leben lag im wahrsten Sinne des Wortes in ihrer Hand. Was immer sie jetzt tat oder unterließ, würde weitreichende Konsequenzen haben– für sie beide. Schwieg sie über sein schweres Vergehen, verstieß sie gegen ihr Treuegelöbnis und beging selbst einen Code-9-Verstoß. Meldete sie ihn dagegen den Oberen, bedeutete das zwangsläufig seine Auslöschung.
Ihr Herz schlug jetzt fast so schnell wie vorhin, als sie aus dem Albtraum hochgeschreckt war. Und dann hörte sie sich zu ihrer eigenen Verwunderung antworten: » Nein, du kannst beruhigt sein. Ich habe nichts gesehen. «
» Danke! « , flüsterte er. Er ließ ihre Hand los und lief zu der Stelle hinüber,
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