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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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im Herzen war er gegangen und Anna wartete vergebens darauf, dass er in seinen spärlichen Briefen einmal die Worte finden würde: »Ich hab dich lieb.«
    Nein, das konnte Thomas einfach nicht schreiben. Es war nicht seine Art und Anna dachte, dass der Krieg ihn vielleicht doch noch zum Mann formen werde oder dass sie sich mit dem Los abfinden müsse, nicht aus einer himmelhoch jauchzenden Liebe heraus zu heiraten.
    Aber da sie ihm Treue versprochen hatte, verschloss sie sich anderen Werbungen. So kam es, dass sie als stolz verschrien wurde, obwohl sie doch alles andere als hochmütig war. Sie waren eben so, die Rauschers, wie sie sein mussten, ein zäher Schlag in allen Dingen, mit einem strengen Maß an Selbstdisziplin, heftig aufbegehrend, wenn es sein musste, und gerecht, wenn Unrecht aufstehen wollte, jenes schreiende Unrecht der Zeit, in der schon das Abhören eines fremden Senders ein Verbrechen war, das mit dem Tod bestraft wurde. Und weil die Rauschers so waren, darum hatten sie es nicht leicht. Und weil sie es nicht leicht hatten, darum waren sie vorsichtig. Wenn der Rauscher spät am Abend an seinem Radio drehte, stand Anna draußen Posten. Gestern hatten sie ein Schwein ohne Schlachtschein geschlachtet, und zwar um zwei Uhr früh, weil nicht anzunehmen war, dass sich da noch jemand herumtreibt. Am wenigsten der Polizeikommissar Frankenberg, den man im ganzen Tal »General Franko« nannte. Er war alt und müde geworden, ein Mann, der anfing, den Glauben an ein gutes Ende zu verlieren und den der Heldentod seines Lieblingssohnes schneeweiß hatte werden lassen.
    Nein, Franko war weniger zu fürchten. Schon eher der Urban Loferer, den man weithin den »Schleicher« nannte. Kein Mensch wusste eigentlich, warum er nicht Soldat hatte werden müssen. Er war einfach immer unentbehrlich, tat vielerlei Dienste, die Spitzeldiensten nicht unähnlich waren. Er hatte die Fleischbeschau vorzunehmen, das Milchmessen, den behördlich genehmigten Holzeinschlag. Ferner hatte er die Aufsicht darüber, dass die Bauern ihr Ablieferungssoll erfüllten, und er wurde in einer geheimen Liste als »Vertrauensmann« geführt.
    Unter seiner niederen Stirn blickte ein Paar kleine, grünlich schillernde Augen in die Welt. Um seinen schmalen Mund spielte fast immer ein überlegenes Lächeln, das Satanslächeln einer zwiespältigen Natur, die hinter allem etwas Verdächtiges witterte.
    Gerade als die Grundhoferleute ihre Brotzeit beenden wollten, bog der Schleicher wie aus dem Erdboden gewachsen um die Haselnussstauden. Er trug einen grauen, abgeschabten Lodenanzug und einen grünen, verwaschenen Hut mit einer Spielhahnfeder. Niemand hatte ihn kommen hören. Der Rauscher runzelte die Brauen, in seinen Fäusten zuckte es und er hätte am liebsten geknurrt: Schleichst schon wieder umeinander, du Gauner? Aber er wusste, wie gefährlich dieser Urban Loferer werden konnte und verschluckte seinen Ärger.
    Mit dem sonnigsten Lächeln der Welt strich der Schleicher sein dünnes Bärtchen auf der Oberlippe. In seinen Augen aber war ein eiskaltes, tückisches Glitzern.
    »So ist’s recht«, sagte er mit seiner dünnen Fistelstimme. »Schön einträchtig sitzen sie beim Rauscher wieder bei der Brotzeit beieinander. Deutsche, Franzosen und Polen. Ganz nah beieinander wie eine Familie.«
    »Ganz recht, wie eine Familie«, antwortete der Rauscher und trank den Rest aus seiner Bierflasche.
    »Du weißt aber doch, dass das verboten ist. Aber der Herr Rauscher kümmert sich ja nie um das, was verboten ist. Der Herr Rauscher macht sich seine Gesetze selber.« Die flinken Augen des Schleichers huschten über die Gesichter der beiden Franzosen und blieben an der Polin Natascha hängen. »Was seh ich denn da? Wo hat denn der Trampel sein ›P‹ wieder?« Ruckartig stieß er sein schmales, verlebtes Gesicht vor wie ein Raubvogel. »Weiß du vielleicht nicht, dass du das tragen musst? Aber natürlich, der Herr Rauscher kümmert sich ja um nichts. Da werd ich halt einmal eine Meldung machen müssen.«
    Langsam war der Rauscher aufgestanden und zog jetzt seine Hose am Bund hoch.
    »Tu, was du nicht lassen kannst. Es wäre ja nicht das erste Mal.«
    »Und das musst ausgerechnet du sagen. Hab ich dich vielleicht schon einmal angezeigt?«
    »Weil ich dir noch keine Gelegenheit gegeben habe.«
    »So, meinst du?« Loferer zwinkerte mit dem linken Auge in einer Art schlampiger Vertraulichkeit. »In welcher Einbildung du lebst! War mir doch, als hätte ich heute

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