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Licht

Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Meckel
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ein paar Stunden sondern für eine Nacht. Unser Alleinsein war unverzichtbar geworden. Wir versteckten die sprachlose Freude in Geschenken, schleppten uns Blumensträuße in die Wohnungen und hatten immer ein Spielzeug in der Tasche, Glaskugeln, Glückswürfel, Hühnergötter und Steine. In einer Septembernacht umarmten wir uns zum erstenmal, wachten spät in Doles Wohnung auf und frühstückten in Bademänteln auf dem Balkon. Ich brachte sie im Wagen zum Pressehaus und holte sie am Nachmittag wieder ab. Von diesem Tag an rechneten wir miteinander. Wir stellten uns gemeinsame Reisen vor, eine gemeinsame Wohnung auf dem Land, ein beständiges, helles, geflügeltes Leben zu zweit. Gehörten wir zusammen? Ja, nein und vielleicht – es gab keine Antwort. Es folgten Beteuerungen und Doles Tränen. Wir stellten jetzt fest, daß wir nichts voneinander wußten. Was wir von uns erzählt hatten, war nicht genug, wir wollten wissen, wer der andere war. Die anfängliche Vertrautheit erschien uns schwach, die Vergangenheit des andern gefährlich dunkel. Unsere Sorglosigkeit war in Gefahr. Hast du mir die Wahrheit gesagt? Liebst du mich, und wen liebst du noch? Liebst du mich wirklich? Kannst du denn wissen, ob du mich wirklich liebst? Lieben wir uns oder sind wir bloß verliebt? Die Liebe war da, die Freundschaft fehlte noch. Wir lagen schlaflos in unseren Wohnungen und telefonierten mehrmals in einer Nacht. War es denn möglich, daß wir zusammen lebten? War die Liebe jemals wirklich gewesen? War das nicht alles Täuschung und Illusion, ein einziges Regenbogenwetter der Gefühle? Und was war das Glück, das wir erfahren hatten, so bodenlos, verletzlich und unbeständig. Das Glück war eine Sache, die wir überleben wollten, allein oder gemeinsam. Wir lagen nebeneinander auf dem Bett, versuchten die Liebe oder versuchten sie nicht, sie versuchte sie nicht. Doles Begeisterung war nicht mehr da. Sie war allein, zurückgefallen hinter die Hoffnung, nicht mehr in Atem gehalten von Freude und Zukunft, unberührbar und nicht zu trösten (tröste mich bloß nicht! bitte tröste mich nicht). Unzuständig für Frage und Antwort, tränenlos allein und ohne Kraft, sich die Haare zu waschen. Wenn du was tun willst, mach mir einen Kaffee. Fremd in der Zeit und unansprechbar, jedes Wort eine Kreuzigung; warum hast du die Weinflache nicht aus dem Eisschrank genommen; welche Weinflasche; mach dir nichts draus, es spielt keine Rolle mehr. Es war nicht möglich, mit ihr im Zimmer zu sein und es war nicht möglich, das Zimmer allein zu verlassen. Unzumutbar, noch am Leben zu sein. Warum lebte sie noch, wenn die Liebe tödlich war.
    Noch einmal versuchten wir, uns selbst zu beweisen, daß wir einander entbehren konnten. Wir gingen uns tagelang aus dem Weg. Wenn der eine anrief legte der andere auf. Wir gaben uns Mühe, Trotz oder Kälte zu zeigen und machten durch Melancholie auf uns aufmerksam, das war ein Spiel. Das Spielen schmerzte, wir kannten die Regeln nicht. Jeder Tag gab siebenmal Anlaß für einen Abschied, jede Nacht war ein einziger Grund, uns für immer festzuhalten. Wir konnten uns verleugnen, quälen, fressen, auslachen oder aus dem Weg gehn, aber für eine Trennung war es zu spät.
    Dann fuhren wir mal auf das Land zu einer Party, sagte Dole, der Sommer war fast vorbei, wir saßen bei Bekannten hinten im Wagen, wußten nicht genau, wo die Party stattfand, es sollte auch keine richtige Party sein, sondern eine Hurrah-Feier für verdiente Kollegen, wir kannten sie gar nicht (kannst du dir vorstellen, daß du dich feiern läßt, weil du ein paar brauchbare Artikel geschrieben hast!). Das Gasthaus lag draußen auf einem Hügel, es gab Tische und Holzbänke unter Kastanien und bunte Glühbirnen im Laub. Die meisten Leute hatten wir nie gesehn, wir saßen bloß da und hörten Rumba und tranken Wein. Um zwei Uhr morgens saßen wir immer noch da, die Bekannten waren schon nach Hause gefahren, es standen aber noch ein paar Autos vorm Gasthaus. Dann waren auf einmal alle Autos weg. Wir hatten zu viel getrunken und nicht gemerkt, daß der Rumba vorbei war. Die Glühbirnen gingen alle auf einmal aus, das Gasthaus war kein Hotel und wir saßen allein am Tisch. Wir hatten kein Auto und kein Geld, mußten zu Fuß in die Stadt zurück, die Nacht war schwarz und feucht, der Fahrweg dunkel, und wir waren nicht nüchtern genug für die vielen Schlaglöcher. Wir legten uns in die Wiese neben dem Weg, verkrochen uns in unsere Mäntel, und du legtest

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