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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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hinauswollten, trat er rasch beiseite und ließ sie vorbei. Dabei blickte er unverwandt in die Nacht hinaus, als versuche er, etwas zu entdecken.
    »Warum musst du immer so bieder sein? Und verklemmt! Genau das bist du! Bieder und verklemmt! Wie alle spanischen Machos!« Mirandas Keifen übertönte die letzten Takte von Shakiras Song, während sie hinausmanövriert wurde.
    Ich lächelte der Bedienung entschuldigend zu und folgte den beiden nach draußen.
    Dann ging alles sehr schnell.
    Ich zündete mir eine Parisienne an und war gerade im Begriff, dem jungen Türken, der direkt hinter mir aus dem Lokal getreten war, ebenfalls Feuer zu geben, als mich jemand derart grob zur Seite stieß, dass ich strauchelte. Beim Versuch, mich an einem der adretten Bäumchen festzuhalten, die vor dem Lokal in Töpfen wuchsen, vollführte ich eine halbe Pirouette und knallte mit dem Hinterkopf gegen die Scheibe des Lokals, bevor ich unsanft auf meinem Hintern landete. Einen Moment lang blieb ich benommen sitzen.
    Als ich wieder klar sah, war der Türke umringt von drei jungen Typen in Jeans und teuer aussehenden Turnschuhen, die Gesichter kaum erkennbar hinter Sonnenbrillen und Schiebermützen. Einer hatte sich die Kapuze seiner Jacke über den Kopf gezogen. Sie schubsten den Jungen herum, willkürlich zuerst, als wäre es ein Spiel, doch dann rückten sie immer enger zusammen, die Stöße wurden heftiger und gezielter. Das Opfer der Bande stolperte, fiel jedoch nicht, denn einer der Burschen fing ihn auf und schubste ihn zurück in die Mitte. Sie grölten – ein raues, mitleidloses Lachen, bevor sie den Türken vor sich hertrieben, weg vom Lokal über die Straße. Hilfe suchend wandte der Junge den Kopf, ich konnte für den Bruchteil einer Sekunde die panische Angst in seinen Augen sehen, doch sie drängten ihn weiter. Autobremsen kreischten, jemand hupte, dann war die Gruppe auf der anderen Straßenseite und verschwand unter der Hardbrücke, die wie ein breiter Steg hoch über den Escher- Wyss-Platz führte, im Schatten einer ihrer Pfeiler.
    Ich löste mich aus meiner Erstarrung, rappelte mich auf und folgte ihnen. Die ersten Leute liefen bereits zusammen, rasch wurden es mehr, sie kamen aus den Bars und Restaurants, dem nahe gelegenen Kebabstand, als hätten sie nur auf so etwas gewartet. Ein Schauspiel für die Geiferer und Gaffer, beste Unterhaltung und obendrein gratis. Die Gegend, unübersichtlich und momentan von zahlreichen Baustellen verschandelt, verkam am Samstagabend zur Kriegszone. Wie eine giftige Wolke hing die Gewaltbereitschaft über dem Ausgehviertel in Zürichs ehemaligem Industriegebiet. Zu viele testosterongetriebene, frustrierte junge Männer, zu viele Mädchen in zu kurzen Röcken, zu viele sexuelle Versprechungen, zu viel Aggression und zu viele gegensätzliche Ethnien: Ein falsches Wort, ein Blick genügte, um die angespannte Stimmung zum Explodieren zu bringen. Die Fäuste saßen locker, jeder war unter den synthetisch glänzenden Hemden oder Hoodies bis zu den Zähnen bewaffnet und um Gründe scherte sich keiner.
    Der Schlägertrupp hatte sich nicht vom Pfeiler wegbewegt, vier zuckende Schatten in der Dunkelheit. Der junge Türke, immer noch umringt von den drei Burschen, duckte sich und hob instinktiv die Hände vors Gesicht, als ihn der nächste Schlag traf. Er wirbelte herum und hielt sich die rechte Schulter, seine Mimik verriet mehr Erstaunen als Schmerz, doch der folgende Hieb in die Magengegend ließ ihn zusammenklappen. Stöhnend richtete er sich wieder auf, doch die Schläge prasselten jetzt erbarmungslos auf ihn nieder. Er schrie nicht, kein Laut war zu hören, außer dem Keuchen der Burschen, dem dumpfen Geräusch, das entstand, wenn die Fäuste auf weiches Fleisch trafen. Ich sah, wie das Blut aus der Nase des Jungen sein weißes Hemd verfärbte, ein dunkler Fleck, der sich rasch vergrößerte.
    Plötzlich stöhnte er auf. Von einem brutalen Haken getroffen, sackte er zusammen und lag jetzt wehrlos am Boden. Jemand lachte höhnisch, dann begannen die Schläger, auf ihn einzutreten, ohne Gnade, wie von Sinnen, in den Magen, in den Unterleib, vor die Brust und schließlich auch gegen den Kopf. Etwas knirschte, ein abscheulicher Laut, der mir durch Mark und Bein ging und mich endlich aus meiner Erstarrung riss.
    Ich rannte auf den Pfeiler zu, als ich von rechts etwas Satinblaues heranschießen sah: Miranda, einen hochhackigen Schuh über ihrem Kopf schwingend, stürmte auf die Männer zu. Sie

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