Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte
ihr dennoch artig die Hand entgegen.
»Sieh an, sie kann reden«, freute sich die seltsame Pathologin.
Sie hielt die Hand des neuen Sergeant ein wenig zu lang fest. Ihr Blick klebte an Chris’ Lippen, als wollte sie die Lebensenergie des ›süßen Kindes‹ restlos aufsaugen. Dabei strotzte sie selbst vor Energie. Auf Chris wirkte sie wie eine gespannte Feder. Mit Unbehagen stellte sie fest, dass die Männer in der Nähe die Szene beobachteten. Dr. Barclay mochte nicht ganz bei Trost sein, aber sie schlug jeden sofort in ihren Bann. Chris versuchte es mit Ironie:
»Wenn Sie die Leiche untersuchen wollen, müssen Sie mich jetzt loslassen, Doctor.«
»Ungern«, schmunzelte die Pathologin. Bevor sie den festen Griff löste, fügte sie mit rauchiger Stimme hinzu: »Morgen will ich alles über Sie wissen, Detective Sergeant Hegel.«
Sie nahm ihren Koffer aus dem Auto und ging zum Strand. Chris folgte ihr sichtlich verstört, was Ron mit zufriedenem Grinsen quittierte.
»Ich habe Sie gewarnt«, murmelte er so leise, dass es die Pathologin nicht hören sollte.
Sie blieb augenblicklich stehen, drehte sich um und bedachte Ron mit einem eisigen Blick. »Ich mag es übrigens gar nicht, wenn man hinter meinem Rücken tuschelt.« Dann wandte sie sich an Chris. Ein spöttisches Lächeln umspielte ihren Mund, als sie mahnte: »Vergessen Sie einfach, was er gesagt hat, meine Süße. Der Mann versteht nichts von Frauen.«
»Sie umso mehr«, flüsterte ihr Ron grinsend ins Ohr.
Sellick stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als die Pathologin sich endlich über den Leichnam beugte. Er entfernte sich rasch in Richtung Pub. Dr. Barclay betrachtete den Toten eingehend, tastete ihn ab, suchte nach verborgenen Verletzungen, maß Körper- und Wassertemperatur.
Schließlich richtete sie sich auf. »Kann mir mal jemand helfen? Wir müssen ihn auf den Rücken drehen.«
Zum ersten Mal sah Chris das Gesicht des Toten. Kein schöner Anblick, die blauen, fast weißen Lippen und die eingefallenen, schwarzen Augen, die einen anklagend anstarrten. »Können Sie den Todeszeitpunkt eingrenzen?«, fragte sie.
»Schwierig zu sagen, wenn man nicht weiß, wie lange der Körper im Wasser gelegen hat. Die Totenstarre ist vom Sartorius abwärts noch nicht voll ausgeprägt. Die niedrige Wassertemperatur verzögert den Prozess. Ich schätze, der Mann ist vor vierzehn bis zwanzig Stunden gestorben.«
»Ertrunken?«
»Vielleicht. Jedenfalls nicht erschossen. Ich sehe keine Zeichen von Gewaltanwendung. Die Hämatome sind Schürfungen, die er sich vor dem Tod zugezogen hat. Sieht nicht nach Todeskampf aus.«
»Ein Unfall?«
»Vielleicht«, wiederholte die Pathologin lächelnd. »Genaues kann ich natürlich erst nach der Obduktion sagen.« Ihr Lächeln wurde noch strahlender. »Ich freue mich schon auf unser Rendezvous in der Gerichtsmedizin.«
Sie erhob sich, packte ihren Koffer und gab den Helfern das Zeichen, den Toten abzutransportieren.
William Thomsen
CHINALEAKS
In Haft der chinesischen Staatssicherheit
Eine wahre Geschichte
PRESSEBERICHT
Dies ist eine wahre Geschichte.
Die Namen der beteiligten Personen wurden geändert.
Er ist 33, lebt in Kiel und ist ein Betrüger. Zwei mal verurteilt, zwei Strafen auf Bewährung. Ein freundlicher, jungenhafter Typ sitzt mir gegenüber, ein Typ mit dem man gern Mal ein Bier zusammen trinkt, witzig, spritzig, geistreich. Nur die Augenränder passen nicht zu der Erscheinung, Augenränder, die nicht nach zwei, drei durchzechten Nächten entstehen. Augenränder, die sich fahlgrau rund um die Augapfel legen.Den Grund dafür beschreibt das psychologische Gutachten so: „Es besteht während des Tages ein zwanghaft grübelndes Sichzurückerinnern, welches etwa 70 % der nichtschlafenden Zeit beansprucht. Weiter gehören hierzu die täglich undwiederholt auftretenden Albträume. ln diesen fühlt sich Herr Thomsen in Situationen zurückversetzt, wacht dann schweißgebadet auf...“. Und er ist wütend. Wütend auf die deutsche Botschaft in Peking. Für ihn schuld daran, dass er die schlimmsten 14 Monate seines Lebens hinter sich bringen musste. 14 Monate in chinesischen Gefängnissen. Kälte, Hunger, tägliche Demütigungen gehörten dazu. Und Folter.
„Nach dem sechsten Schlagspürt man nichts mehr“. So fängt sein Buch an, in dem er seine Erlebnisse niedergeschrieben hat, „Chinaleaks“ heißt es und wird zur Frankfurter Buchmesse in zweiter Auflage und in englischer,
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