Lichthaus Kaltgestellt
Tatortarbeit. Wir werden uns am Nachmittag zusammensetzen. Ich muss leider ins Präsidium. Wir treffen uns um fünfzehn Uhr.« Er schaute in die Runde. »Die kommenden Tage werden nicht leicht werden, packen wir es an.«
Als er in die angespannten und entschlossenen Gesichter der Kollegen schaute, die nacheinander den Raum verließen, sah er, dass seine letzte Bemerkung überflüssig gewesen war. Lichthaus nahm den Dienstwagen. Es ärgerte ihn, dass er nicht wie üblich bei der Bergung der Toten anwesend sein konnte, doch als Abteilungsleiter musste er neben dem Präsidenten und Staatsanwältin Otten an der Pressekonferenz teilnehmen.
Gerade als er in das Auto steigen wollte, rollte Stefan Güttlers Volvo auf den Parkplatz, und der Rechtsmediziner stieg aus.
»Tag, Johannes. Ihr habt eine Leiche für mich?«
»Eine Frau. Sie liegt oben im Wald vergraben. Spleeth analysiert noch.«
»Na, hoffentlich nicht bis morgen.« Er grinste. »Und du brauchst den Bericht sofort?«
»Heute wäre schon gut. Wir müssen sie identifizieren. Scherer lässt sich Vermisstenfotos aufs Handy schicken. Ich hoffe, das bringt uns schnell ans Ziel. Danach kannst du anfangen.«
»Ruf mich nachher mal an, dann sehe ich, wie es läuft. Grüß bitte Claudia von mir. Wir sehen uns ja dann heute Abend in der Galerie.« Er verschwand im Wald.
Güttler war fünf Jahre jünger als Lichthaus, wirkte mit seiner Halbglatze aber zumindest gleich alt. Er lebte in Trier, arbeitete aber am Rechtsmedizinischen Institut der Universität des Saarlandes in Homburg. Die wenigen Aufträge, die für die Justiz in Trier anfielen, führte er im Brüderkrankenhaus durch. Güttler und Lichthaus hatten sich auf Anhieb gemocht und waren inzwischen gut befreundet.
Lichthaus fuhr los. Er war dankbar für das Alleinsein, denn so konnte er seine Gedanken ordnen. Er sah der Identifizierung mit gemischten Gefühlen entgegen. Würde sie die Gewissheit erbringen, dass Eva Schneider tot war, wäre er persönlich zwar betroffen, doch sie hätten Klarheit. Der oder die Mörder hatten die Leiche intelligent beiseitegeschafft und nur der Zufall hatte Dupré sie finden lassen. Wäre der gesamte Graben erst einmal zugeschüttet und die Arbeiten beendet gewesen, wäre sie wohl für immer verschwunden. Wenn der Mörder in allem so umsichtig und planvoll vorgegangen war, würden sie ihn schwer fassen können, doch sie würden ihn trotzdem kriegen. Spuren hinterließ jeder. Hier vertraute er auf Spleeths Genauigkeit. Sollte es sich um einen Sexualmord handeln, gestalteten sich die Ermittlungen typischerweise sehr schwierig, da es selten eine klare Täter-Opfer-Beziehung gab. Die Verbrechen wurden oft spontan ausgeführt, wodurch jede Ermittlungskette einen Bruch bekam. Man würde sehen. Ob Eva Schneider oder nicht, ob Sexualverbrechen oder nicht, es stand einiges an Arbeit an, und er wappnete sich für die nun kommenden stressigen Tage.
*
Um eins war er im Präsidium und ging sofort zu Müller, doch bevor er anklopfen konnte, klingelte sein Handy.
Es war Steinrausch. »Die Tote ist Eva Schneider. Wir haben einen Vergleich mit den Fahndungsfotos vorgenommen. Obwohl sie entstellt ist, besteht kaum ein Zweifel.«
Lichthaus bedankte sich und atmete tief durch, dann betrat er das Büro.
Griesgrämig saß Müller hinter seinem Schreibtisch. Es war ihm anzusehen, dass er nicht begeistert war, am Wochenende ins Präsidium zu kommen. Lichthaus berichtete kurz vom Fund der Leiche, die aller Wahrscheinlichkeit nach Eva Schneider war, und den bisher bekannten Fakten.
»Da haben Sie mit Ihren Ermittlungen in der vergangenen Woche ja doch den richtigen Riecher gehabt«, räumte er widerwillig ein.
»Ja, leider, ich kenne die Familie. Zu allem Überfluss liegt der Vater im Sterben. Er hat Krebs.«
»Manche kriegen es aber knüppeldick.« Müller wirkte ehrlich betroffen. »Wann wollen Sie die Eltern informieren?«
»Wenn wir uns absolut sicher sind, dass sie es ist. Lassen Sie uns abwarten, bis man die Fingerabdrücke der Toten mit denen aus Eva Schneiders Zimmer verglichen hat.«
»Hat die Presse davon schon Wind bekommen?«
»Baum vom Trierischen Volksfreund war bereits oben in Farschweiler. Frau Otten hat Informationen in Aussicht gestellt, und er wird sie auch verlangen.«
»Was wollen wir denen geben?«
»Nur die gesicherten Fakten. Wir wissen ja selbst noch zu wenig, halten uns bedeckt.«
»Wann liegen weitere Ergebnisse vor?«
»Das kommt auf Spleeth und seine Leute an.
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